piwik no script img

Der Knopfkönig war ihr Schicksal

„Attwenger Adventure“ porträtiert die gleichnamige Folk-Punk-Schrammel-Combo aus Linz, „Aus der Zeit“ handelt von alten Wiener Geschäften und ihren Betreibern. Das Kino in der Brotfabrik zeigt Dokumentarfilme aus Österreich

Eine Reihe müsste aus wenigstens drei Filmen bestehen. Die Brotfabrik („Kunst ist Lebensmittel“) zeigt in den folgenden Wochen allerdings nur zwei neuere Dokumentarfilme aus Österreich, was diese Einleitung verkompliziert, zumal beide Filme, abgesehen davon, dass sie aus dem fernen Land in den Bergen kommen, nur wenig miteinander zu tun haben.

„Attwenger Adventure“ berichtet von den Musikern Markus Binder und Hans-Peter Falkner, die unter dem Namen „Attwenger“ seit fast zwanzig Jahren Punk, Folklore und Linzer Schrammeln miteinander kombinieren, also sozusagen New Folk teils auch mit Rap- und Elektronikeinflüssen betreiben und äußerst beliebt sind.

Der Film ist ein meist schnell geschnittenes klassisches Rockumentary. Eine Aneinanderreihung meist sehr kurzer Ausschnitte vieler, toller Live-Auftritte – auch in Simbabwe und Vietnam – gemischt mit Zitaten verschiedener mehr oder weniger Prominenter, die über Attwenger sprechen. Der Produzent Patrick Pulsinger, der Blumfeld-Sänger Jochen Distelmeyer, die Betreiber des Labels Trikont und Jörg Sundermeier vom Verbrecher Verlag (in dem ein Buch von Markus Binder erschienen ist) erzählen. Ein österreichischer Kulturwissenschaftler ordnet schließlich alles richtig ein. Für Fans ist „Attwenger Adventure“ ein Muss. Ansonsten ist der Film – notgedrungen vermutlich – eher ein sympathischer Reklamefilm über ein sympathisches Musikantenduo.

„Aus der Zeit“ (2006), Harald Friedls nostalgisch gefärbte, vielfach preisgekrönte 80-minütige Dokumentation über vier alte Wiener Geschäfte und deren Betreiber, kommt wie der Attwenger-Film ohne Erzähler aus und geht manchmal etwas zu sehr in Richtung Kunstfotografie. Vielleicht kommt es einem auch nur so vor, weil die Geschäfte so schön eingerichtet sind, und weil es die ritualisierte Höflichkeit der Verkaufsgespräche sonst kaum noch gibt.

Die Kamera tut so, als sei sie nicht da. Weil sie so tut, als sei sie nicht da, wirken die Sätze, die die Protagonisten sprechen, manchmal wie Theatermonologe. Es ist erstaunlich und berührend, wie diese schönen alten Menschen aus einer untergehenden Zeit berichten: der 85-jährige Drogeriebesitzer Peppi Kienesberger, die Chefin des Traditionsgeschäfts „Knopfkönig“, das Ehepaar Jentsch, das ein Lederwarengeschäft betreibt, in dessen malerisch leicht verrümpelter Werkstatt eine andere Zeit zu herrschen scheint. Sie unterhalten sich über früher, wie’s kommt und geht und wie die Zeit manchmal verschwindet bei der Arbeit.

Der Film vermeidet dabei den naheliegenden Kitsch – „Ich bin ja hier wie ein Soldat an der Front, der weiß, dass nie eine Ablösung kommt“, sagt Frau Jentsch in einer Szene. In einer anderen sieht man die Knopfkönigin Erika Frimmel in malerischer Umgebung arbeiten; in einer anderen klagt sie: „Knopfkönig war mein Schicksal. Warum hab ich nur diesen Mann heiraten müssen? Um 45 Jahre im Geschäft zu sein … und nun hat er Alzheimer und ist ein lebendiges Gemüse … aber vielleicht hab ich ja noch eine Chance vom Schicksal.“

Wenn man die Helden dieses langsamen Films sieht, beneidet man sie fast; so unentfremdet scheint ihre Arbeit, so klar wirken sie in ihren Aussagen. Dass drei der vier beobachteten Geschäfte während der Dreharbeiten schlossen, verstärkt die braunstichige Nostalgie. Nur selten wird’s lustig, wenn der Besitzer der Fleischerei Fritz etwa einem kleinen Jungen ein Würstchen gibt und dazu sagt, man müsse bei den kleinen Kindern aufpassen, dass aus ihnen keine Vegetarier werden.

DETLEF KUHLBRODT

„Attwenger Adventure“ läuft ab heute bis 2. April, tägl, 19.30, „Aus der Zeit“ wird ab dem 17. April zu sehen sein

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen