„Haben Sie auch was Positives zu sagen?“

Der „Verbrecher Verlag“ stellte sein neu erschienenes Stadtportrait „Bremenbuch“ mit einer Straßenbahn-Lesung vor

Die junge Frau ist enttäuscht: „Hinten sitzen viel coolere Leute.“ Doch das Genörgel nützt nichts. Die Besucher der Präsentation des „Bremenbuch“ in der Nostalgie-Straßenbahn der BSAG müssen sich in zwei Gruppen teilen. Eine in jeden Waggon. Für die Autoren bedeutet das: Sie müssen zweimal ran. Nach der Hälfte der gut einstündigen Tour tauschen sie den Waggon getauscht und lesen noch einmal.

Die Buchhandlung Thalia und der Berliner „Verbrecher Verlag“ stellten in der Bahn mit dem „Bremenbuch“ den neuesten Band einer Reihe von Stadtbüchern vor, in der schon von Marburg bis Neukölln die Republik durchkämmt wurde, immer auf der Suche nach den etwas abseitigen Geschichten, und dem, was keine Touristinformation preisgeben würde – oder könnte.

Vorbei zieht an den ZuhörerInnen das bürgerliche Schwachhausen, und irgendwie passt Tim Schomackers Geschichte um ein verbranntes Kind in Dänemark und einen toten Hotelier in Brasilien wunderbar ins Ambiente. Bloß, was sie mit Bremen zu tun hat, bleibt offen. Vielleicht hat aber auch das Rattern einer Weiche den Zusammenhang verschluckt.

Die Bahn fährt in die Vahr und Linus Volkmann erzählt eine herzige Geschichte von einem Punk, der am Weihnachtsabend versucht, eine verirrte Katze zu retten und dafür in der Ausnüchterungszelle landet. „Herr Lehmann“-Autor Sven Regener zitiert höchstpersönlich aus seiner literarischen Würdigung seines Heimatsstadteils, der Neuen Vahr. Dass es sich um die Zweitverwertung seiner Eloge handelt, die bereits im „Bremer Anzeiger“ erschienen ist, tut der Sache keinen Abbruch. „Für den Bremer Anzeiger schreiben ist Ehrensache“, sagt Regener. „Den liest auch Tante Martha.“

Im Anschluss polemisiert Eric Peters mit seinem „offenen Brief an die BSAG“ zur Tirade gegen die neueste Baureihe von Straßenbahnen. Zwischentitel: „Füße hochstellen – früher verpönt, jetzt gar nicht mehr möglich.“ Damit bringt er einen älteren Herrn gegen sich auf. Dieser hatte zuvor schon den Buchherausgeber Radek Krolczyk mit einem „Dann haben Sie wenigstens was zu tun!“ bedacht, als dieser über den verkrampften Fuß geklagt hatte, mit dem der Vorleser permanent den Mikrofonschalter festhalten muss. Jetzt unterbricht er Peters’ Jungintellektuellen-Prosa: „Haben Sie auch etwas Positives zu sagen?“ Wie passend fügte sich da, dass der Autor gerade erst darüber geklagt hatte, dass der „für beide Seiten pädagogisch wertvolle Konflikt“ zwischen Rentnern und jungen Menschen in der neue Straßenbahn wegen der neuen Sitzanordnung zu kurz kommen könnte. Bitte sehr, hier ist er.Annedore Beelte

„Bremenbuch“, R. Krolczyk und J. Sundermeier, Verbrecher Verlag, 13 Euro.