taz vor zehn jahren
: Grüne Profilsuche vor der Wahl 98

Natürlich hat es strukturelle Gründe, wenn man so abrupt abstürzt wie jetzt die Grünen. Eine Minutenempfehlung für die Grünen hieße:

1. Die Partei benennt rasch eine Crew, die im Wahlkampf herausgehobene Verantwortung trägt und aus der sich das grüne Regierungspersonal rekrutieren wird. So überwindet man auf Zeit die Schwäche der Strukturen und profitiert von der Stärke der Personen. In dem zu erwartenden Wahlkampf hochgradiger Personalisierung bleibt man über angesehene Personen im Gespräch. Gleichzeitig zeigt man, daß die Grünen nicht nur aus Joschka Fischer bestehen.

2. Plattform. Auf wenigen Seiten werden Grundlinien für vier Jahre Regierung aufgeschrieben. Keine Zahlen, keine Paragraphen, dafür Prinzipien und Prioritäten. Regieren ist immer Prozeß und steht unter tausend Vorbehalten. Der Finanzierungsvorbehalt ist nur einer, die Vorbehalte von Koalitionspartner, rasch wechselnder Agenda, und, und, und bestimmen das Regieren mehr als Programmdetails.

3. Konzentration. An drei Themen, die für Gesellschaft und die eigene Anhängerschaft wichtig sind, läßt sich zeigen, womit es den Grünen besonders ernst ist. Liegen wir richtig, wenn wir Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Ökosteuer und Atomausstieg bzw. Energiewende vermuten? Ein weites Feld schon dies, wenn Begründungen und Querverbindungen beschrieben werden sollen. Dann ist aber auch Schluß. Außenpolitik, Flugbenzinsteuer, Leinenzwang für Hunde kommen nicht vor.

Joachim Raschke in der taz vom 31. 3. 1998