Fünf Ringe, viele Knechte, keine Rechte

Textilien mit dem Logo der Olympischen Spiele werden in China in Betrieben gefertigt, in denen erbärmliche Arbeitsbedingungen herrschen. Das Internationale Olympische Komitee weiß darum und macht nur schöne Worte

BERLIN taz ■ Das olympische Feuer ist unterwegs durch die Welt – und mit ihm der Protest. Gestern ist die Fackel in Istanbul angekommen. Die Olympischen Spiele sind auf PR-Tour. Aber auch Aktivisten allüberall auf der Welt nutzen den Weg des Feuers, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. „Catch the Flame“ nennt sich ein virtueller Fackellauf, der dieser Tage Deutschland passiert.

Die Kampagne „Play Fair 2008“, getragen von drei NGOs, die sich um die Einhaltung von Mindeststandards für Arbeitnehmer kümmert, hat ihn initiiert. Sie will zum Protest gegen die miserablen Arbeitsbedingungen in chinesischen Fabriken animieren, in denen Lizenzprodukte der Olympischen Spiele hergestellt werden. Per E-Mail oder SMS kann sich eintragen, wer beim IOC offiziell protestieren will. 5.000 Unterstützer hat die Aktion, die letzte Woche im Amsterdam begonnen wurde, mittlerweile gefunden. Am 1. Mai soll das offizielle Protestschreiben mit den Namen der Unterstützer dem IOC übergeben werden.

Es geht um all die Textilien, auf denen die niedlichen Olympiamaskottchen aufgedruckt sind. Es geht um die Arbeitsbedingungen in den Betrieben, mit denen das Internationale Olympische Komitee (IOC) bzw. das lokale Organisationskomitee der Spiele (BOCOG) Lizenzverträge abgeschlossen haben. Johanna Fincke von der Christlichen Initiative Romero (CIR), bei der die Aktion in Deutschland koordiniert wird, macht deutlich, dass IOC und BOCOG eine unmittelbare Verantwortung für die Arbeitsbedingungen in den Lizenzfabriken tragen.

Die beiden Organisationen haben sich im vergangenen Jahr bereits zu ihrer Verantwortung bekannt und auf eine Studie reagiert, die von der Play-Fair-Kampagne veröffentlicht wurde. Vier Betriebe waren untersucht worden. In einem davon arbeiteten 12-jährige Kinder, was für eine internationale Protestwelle sorgte. Etliche Handelsketten weigerten sich, Produkte der betreffenden Fabrik in zu vertreiben. Das Pekinger Organisationskomitee entzog der Firma die Lizenz.

„Das Empörungspotenzial beim Thema Kinderarbeit ist natürlich sehr groß. Doch eine derartige Reaktion bringt den Arbeitern in der Fabrik erst einmal gar nichts“, sagt Johanna Fincke. Außerdem merkt sie an, dass sich, was die schlechte Bezahlung oder die ausufernde Zahl von Überstunden anbelangt, die Reaktion in Grenzen gehalten habe.

Immerhin habe das IOC auf die Studie reagiert und mit Vertretern der Kampagne konferiert. Dabei seien schöne Ankündigungen gemacht worden, doch Taten folgten bislang nicht. Als sich die Kampagne daraufhin erneut an das IOC wandte, erntete sie wieder nichts als schöne Worte. In einem Schreiben vom 31. März, das der taz vorliegt, ist viel die Rede von sozialer Verantwortung und humanitären Projekten. Einer weiteren Zusammenarbeit mit den NGOs erteilt das IOC allerdings eine klare Absage. Es will künftig nur noch mit der der UN-Organisation für Arbeit (ILO) zusammenarbeiten. „Skandalös“ findet Johanna Fincke das.

In den Chor derjenigen, die einen Olympia-Boykott befürworten, will sie sich indes nicht einreihen. Sie verweist auf etliche Stellungnahmen von für die Play Fair-Studie befragten Arbeitern, die sich explizit gegen einen Boykott ausgesprochen hätten. Außerdem dürfe man nicht vergessen, dass es in China mittlerweile ein neues Arbeitsgesetz gebe, das als Reaktion auf etliche Arbeiteraufstände und eben auch auf internationalen Protest hin verabschiedet wurde und das erhebliche Verbesserungen für die Beschäftigten mit sich bringe. Ein wichtiger Schritt, wie sie findet, auch wenn sie weiß, dass die neuen Regelungen nicht unbedingt überall eingehalten werden. ANDREAS RÜTTENAUER