CSU bleibt im Stress

Auch eine Krisensitzung befriedet die CSU nicht. Land muss für Milliardenrisiken bürgen

Ein Putsch ist unwahrscheinlich. Aber die Stimmung in der CSU nähert sich diesem Punkt

AUS MÜNCHEN MAX HÄGLER

Wie sehr hat sich das CSU-Tandem abgestrampelt, um aus den Negativschlagzeilen zu kommen – und jetzt geht es schon wieder los. Über fünf Stunden saßen Ministerpräsident Günther Beckstein und Parteichef Erwin Huber mit 122 CSU-Abgeordneten bis spät am Mittwoch im Landtag zusammen. Thema: Führungskrise und Erscheinungsbild der Partei. Am Ende vermeldeten alle große „Geschlossenheit“. Der fortgejagte Parteichef Edmund Stoiber meinte hinterher trocken, es sei gar nicht mehr nötig gewesen, sich zu Wort zu melden. Ansonsten wollte vor den Türen niemand mehr Kritik üben an der Führung der einst großen Staatspartei.

Doch schon am Tag danach ging das Spiel von vorne los. Bild enthüllte vermeintliche „Dreifach“-Putschpläne. Die CSU-Bezirkschefs würden angeblich über eine Kampagne von Horst Seehofer (Stoiber-Freund und Huber-Gegner), Edmund Stoiber (Tandem-Feind) und Markus Söder (Stoiber-Zögling und angeblich neuer Seehofer-Freund) reden. Neues, unangenehmes Störfeuer für Huber und Beckstein.

Aber es kam noch dicker am Tag, als Ruhe sein sollte. Die Bayerische Landesbank gab ihre Zahlen bekannt, und auch hier kamen Huber und Beckstein wieder unter die Räder. Bei der Bekanntgabe der Bilanzzahlen musste Bankchef Michael Kemmer schmunzeln, als er auf die Mitteilungsfreudigkeit des Ministerpräsidenten zu sprechen kam. „Ich hab mir gedacht: Muss das sein?“, ätzte Kemmer, weil Günther Beckstein in einem Zeitungsgespräch höhere Finanzrisiken der Bank eingestanden hatte.

Gedrängt werden, das ist in diesen Tagen und Wochen kein seltenes Gefühl für Beckstein und seinen Tandempartner Erwin Huber. In der CSU folgt mittlerweile eine Krisensitzung der nächsten. Den Blick stets gebannt auf die Landtagswahl im September gerichtet – und das ewige CSU-Ziel „50 plus x“. Am Donnerstag musste die Bayern LB eine Wertberichtigung in Höhe von 4,3 Milliarden Euro bekannt geben. Verpackt in das watteweiche Wort „Abschirmung“ gab es noch die Information, dass der bayerische Steuerzahler möglicherweise für die Fehlleistungen der bayerischen Hausbank geradestehen muss. Mit je 2,4 Milliarden Euro sollen die Sparkassen und der Freistaat weitere „theoretische Ausfallrisiken“ der halbstaatlichen Bank absichern.

Und das muss nicht das Ende des Risikos sein. „Was letztlich kommt, weiß niemand“, erklärte Landesbank-Chef Kemmer. Und Huber, der stellvertretender Chef des Bayern-LB-Verwaltungsrates ist, wurde vor einen Untersuchungsausschuss zitiert. Die Opposition will wissen, ob der Finanzminister Huber diese Zahlen in den letzten Monaten bewusst verschwiegen hat mit Blick auf die bayerischen Kommunalwahlen, die Anfang März stattfanden.

„Heute geht es Schlag auf Schlag“, freute sich SPD-Fraktionschef Franz Maget im Landtag. Nach den Tagesordnungspunkten Bayern LB und Untersuchungsausschuss stand eine Aussprache an über den Transrapid. Noch ein Negativprojekt der CSU. Auch hier haben schlimme Zahlen eine Rolle gespielt. Die Wirtschaft wollte den Bau der Magnetschwebebahn nicht finanzieren, wie von Stoiber noch als Abschiedsgeschenk vorgesehen. Auf 3,4 Milliarden Euro hatte sich der Kostenvoranschlag verdoppelt. Die Bahn hatte sich ausgeschwebt. Und Eltern, Schüler und Lehrer, die sich beklagen über übergroße Klassen. Immerhin hier soll es vorangehen. 1.000 neue Lehrer sollen eingestellt werden, um das neue CSU-Bildungsziel zu erreichen: Klassen mit höchstens 33 Kindern.

Nach dem – anscheinend vergeblichen – Fünf-Stunden-Marathon versuchen Beckstein und Huber an diesem Freitag Gemütsberuhigung im legendären Wildbad Kreuth. Dort will der Parteivorstand zwei Tage über all die Probleme palavern, die unter Edmund Stoiber nicht abgearbeitet worden waren.

Über Bildung und über die Wirtschaftspolitik wollen die CSU-Vorstandsmitglieder heute und morgen offiziell sprechen. Doch entscheidendes Thema sind nach Ansicht von Vorständlern die Pannen des Führungstandems und die Altlasten ihres Vorgängers Stoiber, der sich nur selten um bodennahe Themen wie zukunftsgerechte Bildung und Hausärzte gekümmert hatte.

Ob es in dem schönen Tagungszentrum nahe dem Tegernsee wieder zu einem Putsch kommt, wie im Januar 2007, als Stoiber erfolgreich zum Rücktritt gegrummelt worden war, ist unwahrscheinlich. Aber die Stimmung in der CSU nähert sich langsam wieder diesem Punkt. Huber-Kontrahent Horst Seehofer lauert im Hintergrund. Derzeit vermeldet er, „eintausendprozentig“ hinter der jetzigen Führung zu stehen. Genau solche Äußerungen gab es wortgleich auch in der Hochphase der Stoiber-Krise. Huber wiederum erklärte, dass er den Dementis der vermeintlichen Putschisten Stoiber, Seehofer und Söder „zu hundert Prozent“ glaube.