Erotisierte Muskeln zucken anders

In der Kantine des Berghain ließ sich der singende Bodybuilder Rummelsnuff nur zur gern von Shamov begleiten

Berlin hat einen neuen Popstar. Einen im Osten der Stadt lebenden Muskelberg, der aussieht wie eine Mischung aus Hulk, Meister Propper und Popeye und der sich gerne als Pin-up für die Szene der Muskelschwulen inszeniert. Rummelsnuff heißt das Riesenbaby, eigentlich Roger Baptist. Bereits in der DDR war er an diversen Undergroundbands mit Industrialeinschlag beteiligt, jetzt hat er mit „Halt durch!“ seine erste Soloplatte herausgebracht.

Ohne den Typen, ohne diesen in seiner Pumpbude wohnenden Sonderling mit seinem Hans-Albers-Fimmel, ist die Musik auf dieser Platte nur schwer zu ertragen. Das, was Rummelsnuff „Electro-Punk-Gassenhauer“ nennt, klingt nach Rammstein in ganz stumpf und nach dem Versuch, nochmals ein wenig DAF aufzuwärmen. Wer weiß, vielleicht ist das in einer bestimmten schwulen Subkultur echte Fickmusik. Warum Rummelsnuff all das macht, was er macht, warum er ist, was er ist, darüber hat er sich bislang eher bedeckt gehalten.

Er singt über Kraft, Mut, Kampf, spielt in den Clips zu seinen Songs Rollen vom Gefängniswärter bis hin zum entflohenen Sträfling in einer DDR-Landidylle. Nach eigenen Aussagen will er hinter diesem Zeichenwirrwarr jedoch keine tieferen Bedeutungen vermutet wissen. Rummelsnuff ist eine berggroße Projektionsfläche und will es selbst dabei belassen.

Er schon, aber ein gewisser Shamov nicht. Zu dieser Erkenntnis gelangte man beim ersten großen Berlinkonzert von Rummelsnuff in der „Kantine“ des Berghain. Shamov scheint der Konzeptausdenker von Rummelsnuff zu sein. Praktischerweise bildete er gleich die Vorband, mischte dann aber auch beim Hauptact immer wieder mit und war in jedem zweiten der Clips zu sehen, die permanent an die Wand projiziert wurden.

Shamov bot einen ähnlich zweifelhaften Schlager-Electro wie Rummelsnuff, wirkte dabei auf groteske Weise selbstverliebt, gockelte, posierte, zog sich zigmal um und schien davon überzeugt zu sein, dass der eigentliche Star des Abends natürlich niemand anders als er selbst sein konnte. Shamov schien deutlich machen zu wollen, dass er eine Art Malcolm McLaren ist und der Rummelsnuff eher das Medium, um seine eigenen Konzepte wirkungsvoller umzusetzen.

Der Muskelprotz wiederum hatte ganz offensichtlich keine Probleme mit Shamovs andauernden Versuchen, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Dafür ist er wiederum selbst viel zu sehr Narziss, der weiß, welche Wirkung er zeitigt, wenn er irgendwann das zeigt, wegen dem die meisten im Publikum eigentlich gekommen sind: seinen unglaublichen Oberkörper. Wie aus Plastik wirkte dieser, mit Muskelwülsten, wie man sie sonst bloß bei Fantasy-Figuren kennt, mit einer regelrechten Wampe aus Sehnen und Adern. Schwerfällig tappste er umher, niedlich schüchtern wirkte er groteskerweise, war einfach nur er selbst, was ja völlig genügte, um sein Publikum fassungslos zu machen.

Dazu sang er eben seine Rummelsnuff-Songs, Zeilen wie „Du ein Mann, ich ein Mann, beiden juckt das Fell“ und zwischendurch trug halt Shamov mal wieder ein frisches T-Shirt mit dem Aufdruck „Shamov“ spazieren. Ein Stahlgewitter aus schwuler Erotik, wie das einst bei DAF zu erleben war, zog so nicht auf, jeden Samstag wird im Berghain mehr schwules Leben zelebriert, sieht man mehr Schweiß auf zuckenden Männermuskeln. Seltsam distanziert wirkte der singende Bodybuilder, eindeutig wie einer, der sich unter der Hantelbank wohler fühlt als vor einem Publikum. Er sollte diesen öden Shamov rauswerfen, dann müsste er sich mehr auf sich verlassen, die Show selbst gestalten und vielleicht würde er irgendwann dann auch mal in eigenen Worten erklären, was das mit der Rummelsnufferei denn eigentlich genau so auf sich hat.

ANDREAS HARTMANN

Rummelsnuff „Halt durch“, Zickzack/Indigo