die taz vor 13 jahren über umweltgruppen und ihre richtige distanz zur regierung
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Darf man Helmut Kohl loben? Einen Kanzler, der sich um Umweltpolitik nicht schert und auf dem Klimagipfel nur ein paar schöne Worte gesagt hat? Einige Umweltgruppen taten es.

Wie man Kohls Rede und die Reaktionen wertet, ist eine Frage der Perspektive. Wählt man den bequem distanzierten Überblick, die umweltpolitische Totale, besteht natürlich Geißelungsbedarf. Dann wettert man gegen die „Sonntagsrede“ Kohls, gegen die „Alibi-Veranstaltung“ und listet all das noch mal auf, was wir eh schon wissen: Kohls Verkehrspolitik, Gorleben oder die Energiesteuer. Versucht man jedoch einen Blick auf den konkreten Verhandlungsprozeß in Berlin, landet man tatsächlich schnell beim Lob des Kanzlers.

Das Lob der Umweltgruppen war also keine Panne aus Naivität, sondern eine Folge ihrer Perspektive: Nah dran am Verhandlungsprozeß, bemüht um konkrete Fortschritte und weit weg vom fundamentalistischen Rundumschlag. Diese Perspektive prägt die Arbeit der meisten Umweltgruppen seit der Konferenz von Rio, was sich auch schon ablesen ließ an der Entscheidung, in Berlin eben keinen Gegengipfel zu inszenieren, sondern möglichst viele konstruktive Parallelveranstaltungen.

Dadurch hat sich bei der Berliner Konferenz eine Zusammenarbeit zwischen Umweltministerium und Umweltaktivisten entwickelt. Die Ökogruppen sind den offiziellen Positionen immer ein Stück weit voraus, piesacken die Delegationen – und die klimapolitisch aufgeschlossenen Mitglieder der deutschen Delegation zum Beispiel freuen sich über diese Unterstützung. Sicher hat diese Arbeitsteilung, dieses neue Klimabündnis, eine Gefahr: Man macht sich zum nützlichen Idioten der Politik, sobald der Verhandlungsprozeß nutz- und wirkungslos ist. Doch danach sieht es nicht aus. Nach diesem Gipfel wird das 20-Prozent-Reduktionsziel ein Stück nähergerückt sein. Und solange der Prozeß diese Aussicht auf Erfolg hat, darf man Helmut Kohl loben. Felix Berth, 7. 4. 1995