Der Streit um die Beutekunst

Seit mehr als 15 Jahren gehört zu den Standardthemen deutsch-russischer Beziehungen die so genannte Beutekunst der so genannten Baldinsammlung. Doppelt so genannt ist wichtig, weil in der Auseinandersetzung Schlagworte den ultrakomplexen Sachverhalt entstellen:

Die Bremer Kunsthalle hatte 1943 Weltkriegsbestände in einem Herrenhaus in der Prignitz ausgelagert. Dieses wurde von einer Kompanie der Sowjet-Armee 1945 als Quartier genutzt. Victor Baldin, Offizier und Architekturhistoriker, fand im feuchten Keller, auf dem Boden verstreut hochrangige Zeichnungen, Grafiken und Aquarelle: 362 sammelte er auf, zwei Gemälde – einen Dürer einen Goya – löste er aus ihren Rahmen. Er nahm die Werke mit nach Moskau – um sie zu schützen.

Nach Kriegsende setzte er sich in zahllosen Briefen für die Rückgabe ein – vergeblich. Als theoretische Möglichkeit wurde der Re-Import der Bilder nach Bremen erst nach dem Zusammenbruch des Ostblocks in Erwägung gezogen: Zu ersten Verhandlungen kam es unter Präsident Boris Jeltsin. Eine Intervention des damaligen Kulturministers ließ die Gespräche 1993 scheitern. Dafür wurden Teile des Kunstschatzes in Petersburg und Moskau ausgestellt.

Nach internationalem Recht gehören die Werke der Kunsthalle Bremen, nach russischem nicht. Wenn sie nun bei anderer Beutekunst ihre Besitz-Ansprüche faktisch aufgibt – hat das möglicherweise Auswirkungen auf die Verhandlungen: Schließlich kreisen sie um genau diese Dissonanz.

Nicht ergebnislos: So ist seit 2002 kein Jahr ohne teils vollmundige Ankündigungen vergangen – und keines ohne oft kleinlaute Rückzüge. Einmal lag sogar ein fertiger Rückgabevertrag vor. Im März 2003 unterzeichnete Wladimir Putin ihn wegen empörter Kritik und eines staatsanwaltlichen Gutachtens dann doch nicht: Ein für sein Regierungsverständnis untypischer Vorgang.

Zuletzt sah, wie sämtliche KulturstaatsministerInnen vor ihm, Bernd Neumann „eine große Chance, noch in diesem Jahr zu einem positiven Ergebnis zu kommen“. Das sagte er im März 2007. Die letzte Meldung stammt vom Juni: Das Puschkin-Museum verurteilte sämtliche Rückgabe-Pläne scharf. BES