USA bleiben noch länger im Irak

Der Oberkommandierende der US-Truppen im Irak, David Petraeus, wendet sich gegen raschen Truppenabzug und verweist auf Fortschritte. Er hofft auf eine „Phase der Konsolidierung“. Doch unter US-Volksvertretern beider Parteien wächst die Kritik

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

Der republikanische US-Präsidentschaftsbewerber John McCain hat gestern vor dem US-Kongress gesagt, dass die US-Mission im Irak erfolgreich sein könne – und müsse. Denn ein unverantwortlicher und verfrühter Abzug der US-Truppen würde unweigerlich zu einem Scheitern des irakischen Staates führen. Ein Scheitern aber würde die USA in Zukunft zwingen, einen noch kostspieligeren Krieg im Irak führen zu müssen.

McCain sprach vor dem Verteidigungsausschuss des US-Senats, wo General David Petraeus, der Oberkommandierende der US-Truppen im Irak, sowie Ryan Crocker, der US-Botschafter in Bagdad, ihren mit Spannung erwarteten Fortschrittsbericht zur Lage im Irak präsentierten. Als der General den Sitzungssaal betrat, erschallten im Publikum Rufe wie „Stoppt das Töten“ und „Bleibt aus dem Iran draußen“. Ein Mann wurde von der Kapitolpolizei aus dem Saal geführt, nachdem er lautstark einen vollständigen Abzug der US-Truppen aus dem Irak gefordert hatte. Als John McCain zu einem Statement ansetzte, erklomm eine Frau im Publikum ihren Stuhl und rief: „Es gibt keine militärische Lösung.“ McCain entgegnete: „Das erlebe ich nicht zum ersten Mal.“

Petraeus wies vor allem auf die verbesserte Sicherheitslage hin. Seit der Truppenerhöhung vor einem Jahr seien die US-Verluste um 70 Prozent zurückgegangen, die Gewalt habe deutlich nachgelassen und sei weit unter dem Niveau von vor einem Jahr vor der Truppenaufstockung. Im Rahmen der gleichzeitig gestarteten politischen Offensive seien sunnitische und schiitische Politiker und Stammesführer Bündnisse eingegangen. Das alles führe dazu, dass die USA in den letzten Monaten von einem Fortschritt ausgehen könnten.

Petraeus wandte sich gegen einen raschen Truppenabzug aus dem Irak. Nach dem geplanten Abzug von 30.000 Soldaten bis Juli solle es eine Pause von mindestens 45 Tagen geben. Nach dieser „Phase der Konsolidierung und Neueinschätzung“ müsse die Lage erneut überprüft werden, sagte er. „Wenn zu viele Truppen zu schnell abgezogen werden, könnte dies den Fortschritt im Irak gefährden.“ Er könne nicht sagen, wie viele US-Truppen etwa in einem Jahr im Irak benötigt würden.

Demokratische Senatoren reagierten mit scharfer Kritik. Dies könne eine „Unterbrechung des Truppenrückzugs ohne Ende“ bedeuten, sagte der Ausschussvorsitzende Senator Carl Levin. US-Präsident George W. Bush hatte bereits vor der Anhörung signalisiert, dass er den Empfehlungen des Generals folgen und vorerst keine weiteren Truppen aus dem Irak abziehen wolle.

Der heftige Aufstand, der seit Wochen in schiitischen Hochburgen wie Basra und Sadr City tobt, hat den US-Kongress misstrauisch werden lassen. Viele Volksvertreter, die noch im vergangenen September, als General Petraeus seinen Zwischenbericht lieferte, die Truppenaufstockungspläne des Weißen Hauses unterstützten, äußerten sich in den vergangenen Tagen kritisch. Ein Ende, so klagen zunehmend mehr Bush-Unterstützer, sei im Irak nicht in Sicht. „Wir alle sehen, dass wir enttäuscht sind, in welcher Lage wir uns befinden“, sagte Bob Corker, ein Senator der Republikaner. „Wie kommen wir aus diesem Schlamassel?“, fragte Norm Coleman, ein anderer konservativer Senator, der bisher als Falke galt.

Kurz vor Beginn der Anhörung traf in Washington die Nachricht vom Tod von acht weiteren US-Soldaten im Irak ein. Aus mehreren Landesteilen wurde von Kämpfen und weiteren Opfern berichtet. (mit dpa/AFP)