Links-Fraktionschef gibt Geschichtskurs

Für Niedersachsens Links-Fraktionschef Manfred Sohn haben die Mönche in Tibet den ersten Stein geworfen. Er lobte die DDR, den Fernsehpropagandisten Karl-Eduard von Schnitzler hielt er für unendlich wertvoll

Wegen Äußerungen zur DDR und zu Tibet steht Niedersachsens Linkspartei-Fraktionschef Manfred Sohn unter Beschuss. „Zutiefst erschüttert“ reagierte Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) auf eine Rede, in der Sohn die Tibeter für Unruhen in Lhasa verantwortlich gemacht hatte. Mönche hätten nicht-tibetanische Geschäfte in Lhasa geplündert und angezündet und so den „ersten Stein geworfen“, sagte Sohn in einer Landtagsdebatte über Niedersachsens Beziehungen zu China.

„Wollten Sie uns damit sagen, dass die Mönche an allem schuld sind, an ihrer Unterdrückung, an ihrer Einsperrung?“, fragte Ursula Helmhold (Grüne). Sohn wolle wohl „wie Frau Schneider in Hamburg Argumente finden, um das Vorgehen Chinas gegen die Minderheit in Tibet zu rechtfertigen“, sagte Bernd Althusmann (CDU). In der vergangenen Woche hatte die linke Fraktions-Vizin Christiane Schneider in der Hamburger Bürgerschaft den Dalai Lama indirekt mit dem iranischen Ayatollah Chomeini verglichen (taz berichtete).

Wulff fühlte sich durch weitere Äußerungen Sohns „an den Umgang der chinesischen Parteiführung mit den Journalisten in Tibet erinnert“. In einer Diskussion hatte Sohn die „gegnerische“ Presse als „eine Bande“ bezeichnet, bei der es heißen müsse: „Tür zu, draußen bleiben, jetzt nicht.“

Als eine „unerträgliche Verherrlichung eines Unrechtsstaates“ wertete Innenminister Uwe Schünemann (CDU) auch Äußerungen Sohns, die am Mittwoch die Hannoversche Allgemeine Zeitung ausgegraben hatte. „Asche, sagte der unvergessene und unendlich wertvolle Karl-Eduard von Schnitzler mehr als einmal, gehört in die Urne und nicht aufs Haupt“, hatte Sohn den einstigen DDR-Fernsehpropagandisten im September 2005 in den linksgewirkten Weißenseer Blättern beschrieben. Das gelte, so der Linke, „nicht nur für die DDR, die der beste Staat auf deutschem Boden war, den es bisher gab“. Die Linkspartei, schrieb Sohn in dem Aufsatz, werde den „ersten Sozialismus auf deutschem Boden studieren, bewundern und verbessern“.

Ein Jahr zuvor hatte Sohn, der 20 Jahre in der DKP war, an gleicher Stelle die Aufgabe der Linkspartei beschrieben: „Unser Ziel ist nicht der Sozialismus. Unser Ziel ist der Kommunismus, in dem unsere Urenkel morgens jagen, nachmittags fischen, abends Viehzucht treiben und nach dem Essen kritisieren können.“ Ihm gehe es darum, „die Truppen zu sammeln, die 2017 oder 2049 die Entscheidungsschlacht schlagen und gewinnen können“. Auch Marxisten hätten noch „nie Probleme gehabt, mit Teufel, Papst und anderen Bündnisse einzugehen, wenn es denn der Sache dient“.

Heute will sich der Links-Fraktionschef zum demokratischen Sozialist geläutert haben: „Mein Gott, ich bin doch auch lernfähig“, sagt Sohn am Mittwoch zur taz. Die DDR sei ein Unrechtsstaat gewesen, aber er sei gegen Pauschalisierungen. Zudem habe er „keineswegs das Unrecht der chinesischen KP“ rechtfertigen, sondern lediglich ein „vollständiges Bild“ der Vorgänge in Tibet zeichnen wollen. KAI SCHÖNEBERG