Nur für Herumhänger

Die schönsten deutschen Schwänz- und Freistunden-Cafés aller Zeiten (Teil 3)

Vor kurzem hat die Wahrheit ihre Leser aufgefordert, die Namen ihrer liebsten Schwänz- und Freistunden-Cafés einzusenden. Herausgekommen ist eine beeindruckende Liste mit den schönsten deutschen S&F-Cafés.

Marktplatz in Düsseldorf. Es lag in unmittelbarer Nähe zum Rhein. Die wenigen Fenster ließen nur geringen Einblick in das schlauchartige, von Schülerzigarettenqualm vernebelte Innere zu. Während die Bonzen sich im vorderen Teil von ihren Gucci- und Dior-Einkäufen erholten, zogen wir uns auf eine kleine Empore im hintersten Teil des Cafés zurück. Dieser leicht erhöhte Tisch trug eine unsichtbare Reservierung für die erfahrensten S&F-Gänger. Die Kellner kannten das Spiel und fachten die natürliche Hackordnung unter den faulenzenden Oberstüflern an. Erst wenn man in die Nähe der 50. „Freistunde“ rückte, wurde man begrüßt und mit ein paar Worten mehr bedient. PABLO VON FRANKENBERG

Café Prünte in Unna. Zentral in der „guten Stube“ von Unna, der stolzen Fußgängerzone, kämpfen gutsituierte und wohlgenährte Unnaer Damen mit Schwarzwälder Kirschen. Die Gefahr, ertappt zu werden, ist groß! Noch vor wenigen Jahren hatte mich dort meine Oma, mit Hut und Handschuhen fein gemacht, öfter zu einem „Mohrenkopf“ eingeladen. Jetzt sitzen wir während der verhassten Lateinstunde in diesem Plüschcafé, finden uns bei dieser subversiven Aktion ganz toll. HARALD WEBER

Café Frohn in Bonn-Bad Godesberg. Logischerweise hieß das Café, das uns Galeerensklaven des Heinrich-Hertz-Gymnasiums Anfang der Siebzigerjahre von der Frohn des Mathe- oder Französisch-Unterrichts entlastete, Café Frohn. Es hatte eine Fünfzigerjahre-Einrichtung mit Deckchen, Gedeckchen und all dem Plunder, kurz: scheußlich, einschließlich der mürrischen Bedienung, die unsere Minimalbestellungen abarbeitete: Kännchen für vier. ANDREA KONORZA

Die Milchbar Aktivist in Rudolstadt/Thüringen. Ich besuchte die EOS (Erweiterte Oberschule) „Dr. Theodor Neubauer“, und wir verbrachten viel Zeit in der Milchbar Aktivist, gleich neben dem inzwischen abgerissenen Filmtheater Aktivist. Dort gab es Erdbeer-Eiscreme-Soda für 90 Pfennige, sehr, sehr lecker. Das Café war schon ein bisschen abgewirtschaftet, aber viel besucht. Der Kellner war immer angetrunken und ziemlich unfreundlich, aber gut gekleidet, mit Weste und Fliege. BARBARA LEIRER

Das Nudelhaus in Wolmirstedt. Es gab viel zu essen und gute Getränke. Ich habe dort viele schöne Stunden meiner Schulzeit verbracht, auch wenn die Bedienung nicht freundlich zu uns war – obwohl sie an uns Schülern das meiste verdient haben. SOPHIE HOLLENBACH

Café Kleimann in Dortmund. Wir gönnten uns als solidarische Klassenaktion „Freistunden“ – mit der Begründung, dass die Zeugnisse bereits geschrieben waren. Brave Klassenkameraden bekamen Ärger und wurden von ihren Eltern aus dem Café gezerrt. BURKHARD LEWE

Fiskus in Würzburg. Dahinter verbarg sich die Kantine des Finanzamtes, wobei die Cafeteria außerhalb der Mittagszeit fast ausschließlich von uns bevölkert war. Einmal kam ein Lehrer hereingestürmt und hat uns in seinen Bio-Kurs zurückgeholt – ihm war klar, dass wir wieder mal unser Kontingent an Fehlstunden in der Oberstufe ausgenutzt haben. IRENE SCHNEIDER

Der Ephesus-Grill in Hildesheim. Kein Café im eigentlichen Sinne, aber doch ein ehemals großartiger Freistunden-Treff – selbstverständlich habe ich nie geschwänzt! Beigetragen hat der Ephesus-Grill jedenfalls zum interkulturellen Verständnis, denn während man die reguläre Dönerbude ja nur von außen und kurzfristig sieht, führte der Freistundenrhythmus automatisch zu längeren Aufenthaltszeiten und entsprechenden Konversationen, die meistens in Gratis-Tee resultierten. MICHI FÜRSTENBERG

Traube in Eschwege. Gemütliche Inneneinrichtung, Bierpreise – natürlich Eschweger Klosterbräu vom Fass – in Ordnung und vor allem seit Generationen voll auf schwänzende Schüler eingestellt. Schließlich auch das einzig Sinnvolle, was man vormittags in Eschwege machen kann. FRIEDEMANN BRETTSCHNEIDER

Café Rembser in Hofheim. Die Bedienung war immer so schön etepetete, ganz in Schwarz und mit weißem Schürzchen. Und wir waren immer so gammelig und rauchten wie die Schlote. MARCO SAGURNA

Gleis 1 in Syke. Die Decke war holzvertäfelt und man konnte prima die Teebeutel hochschleudern. Ab und zu fielen die ausgetrockneten Exemplare wieder herab. Es gab eine ganze Szene von Stammgästen. Hier lernte man/frau seinen/ihren Partner/in kennen, führte die Beziehungsdiskussionen und trennte sich wieder. Die Männer schrieben und diskutierten ihre Begründungen zur Kriegsdienstverweigerung. „Heute Abend Gleis!“, riefen wir uns zu, wenn wir uns mal tagsüber irgendwo trafen. JOCHEN VOIGT