Enthüllung durch Humor

Wechseljahr 2008 (10): Wie fühlt sich Amerika? Dagmar Herzog über die Verfasstheit einer Changing Nation

Skepsis gegenüber allen Nachrichten gehört mittlerweile zur Grundhaltung der US-amerikanischen Bürger. Altbewährte Aufklärungsstrategien – akribische Faktensammlungen, Exposés über die Heuchelei der Mächtigen – ziehen nicht mehr.

Neue Methoden der politischen Kritik sind also gefragt. Schaut man sich um in der medialen Landschaft, wo ansprechende subversive Impulse geliefert werden, merkt man schnell: Es geht am besten mit Humor. Die Cartoonserie „The Simpsons“ etwa, ein zärtlich-absurdes Porträt einer Familie von Exzentrikern, enthüllt seit Jahren gesellschaftliche Missstände.

Eine andere, nicht minder beeindruckende Form wählt ein neues Genre: Jon Stewarts „The Daily Show“, eine Art Tagesschau, und Steven Colberts „The Colbert Report“, ihr Ableger. Stewart hat das Genre erfunden und arbeitet mit einer Mischung aus: seriösen Interviews mit wichtigen Meinungsmachern, aber im locker gehaltenen Ton; offensichtlich gefälschten Interviews und Reportagen, die durch Satire politisch kritische Effekte erzielen; ulkige Unsinnsinterviews, die wiederum aber mit echten Personen geführt werden; und Videomontagen von wirklichen Ereignissen, aber so zusammengeschnitten, dass das Infame des jeweils dokumentierten Phänomens klar zutage tritt.

Ein gutes Beispiel dafür ist eine Montage von demokratischen Senatoren, die den Folter befürwortenden ehemaligen Bundesstaatsanwalt Alberto Gonzales ins Kreuzverhör nehmen und immer wieder rechthaberisch das Wort „torture“ (Folter) aussprechen, den Mann aber trotzdem nicht zu einem Geständnis bringen. Ganz zu schweigen davon, dass es ihnen schon gar nicht gelingt, Folter gesetzlich wieder verbieten zu lassen.

Colbert war ursprünglich einer von Stewarts unechten „Reportern“. Nun hat er sein eigenes Format. Als ultrarechts-konservativer, religiös-moralischer Turbokapitalist geht er betont aggressiv vor gegen seine eher liberalen Interviewpartner, so als ob er wirklich rechts wäre, und drängt sie in die Defensive. Genau damit gelingt es ihm, eben nicht liberal-elitär-herablassend zu wirken und antilinke Reflexe der Zuschauer zu unterlaufen. Zugleich offenbart er die lächerliche Seite der radikalen Rechten.

Zusätzlich karikiert er mit täglich neuen Witzen die wachsende Verunsicherung, was denn nun in den Nachrichten eigentlich verlässlich authentisch ist und was inszeniert – durch den von ihm geprägten Terminus „truthiness“ (übersetzt in etwa „Wahrheitscheinlichkeit“).

Dafür wurde Colbert nun mit dem „Peabody Award“ geehrt, der höchsten Auszeichnung für Journalisten. Und auch beim Publikum kommt er immer besser an: Je mehr die Zahl der Zuschauer althergebrachter Nachrichtensendungen sinkt, umso mehr steigt die Begeisterung für Stewart und Colbert. Offensichtlich bietet Satire größere Orientierung als die medial vermittelte, angebliche Wirklichkeit.

Dagmar Herzog, Jahrgang 1961, Historikerin am Graduate Center, City University of New York, forscht u. a. zum Aufstieg der religiösen Rechten in den USA