Zureden hilft nicht immer

Verbale Attacken sind fast schon normal, physische Angriffe häufen sich: Nach einer Messerattacke im Jugendamt Eimsbüttel wollen sich die Angestellten der Behörde besser vor Angreifern schützen

VON JESSICA RICCÒ

„Wir sind natürlich darin geschult, Konflikte mit Gesprächen zu lösen,“ erklärt Ver.di-Vertrauensmann Andreas Scheibner. „Aber gute Kommunikation kann nicht unser einziger Schutz sein.“

Als eine Frau vor zwei Wochen im Eimsbütteler Jugendamt eine Angestellte mit einem Messer attackierte und sich fast zwei Stunden gemeinsam mit ihrer Tochter und dem Opfer im Amt verbarrikadierte, hätte auch gutes Zureden nicht helfen können. „Die Täterin ist gezielt mit dem Messer ins Amt gegangen und hat gewartet, bis sie mit der Angestellten alleine war,“ sagt Scheibner, der selbst im dortigen Jugendamt arbeitet. „Theoretisch kann sowas immer wieder passieren – und die Jugendämter haben immer mehr Fälle zu bearbeiten.“

Der Angriff in Eimsbüttel ist kein Einzelfall. Seit dem Jahr 2000 wurden fünf weitere gewalttätige Übergriffe auf Behördenmitarbeiter bekannt – „verbale Attacken sind schon fast normal,“ meint Scheibner. Personal- und Geldmangel der Behörde sind seiner Ansicht nach eine Ursache für die Aggressionen der Klienten.

Problematisch sei auch die Darstellung der Jugendämter durch die Medien: Dort würden die Angestellten eher als Täter denn als Opfer präsentiert. Und die verschlössen die Augen entweder viel zu lange vor Missständen oder entzögen Eltern fast grundlos die Kinder, sagt Scheibner. „Wenn dann einer unserer Mitarbeiter angegriffen wird, scheint das Außenstehenden annähernd fair“, erklärt er. Dabei falle jedoch unter den Tisch, dass die Jugendämter selbst sehr wenig entschieden: Ob das Sorgerecht entzogen werde, entscheide ein Jugendrichter. Und auch der stütze sich schließlich auf Berichte des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD).

Der Personalmangel der öffentlichen Dienste wirke sich gleich doppelt zum Nachteil der Jugendämter aus: Zum einen könnten Fälle bei dauerhafter Überforderung nicht schnell oder gründlich genug bearbeitet werden – das mache Betroffene wütend und fördere das Image des trägen Beamten. Gleichzeitig fehle jedoch die gegenseitige Supervision und Unterstützung der Mitarbeiter: „Wir würden heikle Fälle auch lieber mit mehreren Mitarbeiten besprechen – vier Augen sehen mehr als zwei, außerdem gibt uns das mehr Sicherheit, wenn wir wissen, dass ein Besucher schnell aggressiv wird“, sagt Scheibner.

Die Behörde selbst bemüht sich Scheibner zufolge nur zaghaft um den Schutz ihrer Mitarbeiter: Das Alarmknopfsystem an den Schreibtischen wurde vereinfacht – mehr Personal oder Sicherheitsdienste würden jedoch nicht eingestellt. Selbst ein für die Jugendämter zuständiger Jurist fehle: „Es wäre keine optimale Lösung, aber wir denken über Selbstschutz mit Pfefferspray und die Anbringung von Videokameras in verwinkelten Ecken des Jugendamtes nach,“ erläutert der Ver.di-Sprecher. „Ob wir das rechtlich dürften, kann hier leider niemand beantworten.“ Ebenso allein stehen die Angestellten laut Scheibner mit juristischen Fragen zu ihren Fällen da. Denn die Rechtsabteilung des Bezirksamtes sei nicht für die meist im Privatrecht angesiedelten Fälle zuständig.