Kritik am Spähangriff aufs Wohnzimmer

BKA-Gesetz-Entwurf sieht auch die optische Überwachung von Wohnungen vor. FDP erwägt Gang nach Karlsruhe

Lausch- und Spähangriff sollen Menschen gelten, die mit der Vorbereitung eines Terroranschlags begonnen haben

BERLIN taz ■ Die geplante Kameraüberwachung von Wohnräumen durch die Polizei hat bei der Opposition einige Kritik hervorgerufen. „Das Bundeskriminalamt braucht keine Ermächtigung für eine Peepshow in die Wohn- und Schlafzimmer der Menschen“, kritisierte die FDP-Innenpolitikerin Gisela Piltz die geplante Einführung des Spähangriffs im BKA-Gesetz. Aber auch der Berliner SPD-Innensenator Ehrhart Körting merkte auf: „Spielt das in der Praxis irgendwo eine Rolle oder ist das nur hineingeschrieben worden aus perfektionistischem Denken?“

Als Spähangriff wird die optische Überwachung einer Wohnung von innen oder außen bezeichnet. So kann die Polizei von außen mit einer Kamera in die Wohnung hineinfilmen. Dieser Spähangriff wäre mit dicken Gardinen leicht abzuwehren. Alternativ soll es deshalb auch möglich sein, Kleinkameras innerhalb der Wohnung anzubringen. Dies ist allerdings aufwändiger, weil die Polizei hierzu – wie auch zur Installation einer Wanze – in die Wohnung einbrechen muss. Späh- und Lauschangriff hängen für das Bundeskriminalamt (BKA) eng zusammen. Die Polizei will den Spähangriff vor allem nutzen, um mitgehörte Gesprächsbeiträge besser einzelnen Personen zurechnen zu können. So heißt es im BKA-Bericht über die Überwachung von drei Islamisten in einem Ferienhaus im Sauerland: „die verschiedenen Stimmen (waren) aufgrund rein akustischer Überwachungsmaßnahmen kaum, zum Teil gar nicht, auseinanderhalten“.

Unionsinnenminister verteidigten gestern die Pläne. „Wenn wir da nicht überwachen, dann gehen uns viele Erkenntnisquellen – ich würde sagen, die meisten – verloren“, sagte der Stuttgarter Innenminister Heribert Rech (CDU). Sein bayerischer Kollege Joachim Herrmann (CSU) beschwichtigte, die neuen BKA-Befugnisse zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus beträfen „nur ganz wenige Bürger“.

Langsam nimmt die Öffentlichkeit immerhin wahr, dass es bei der BKA-Reform nicht nur um die Einführung der Onlinedurchsuchung geht. Erstmals wird das BKA auch für die Verhütung von Straftaten zuständig und soll dazu zahlreiche neue Befugnisse erhalten, so darf es etwa präventiv Telefone und Wohnungen abhören oder auch Rasterfahndungen durchführen.

Union und SPD verfolgten dabei die Linie, dass das BKA alles darf, was die Landeskriminalämter heute schon zur Gefahrenabwehr dürfen. Nur die heimliche Ausspähung von Computern ist Neuland für alle Sicherheitsbehörden und stand deshalb zu Recht in der Diskussion.

Auch der „Spähangriff“, der jetzt für Aufregung sorgt, ist bereits in zahlreichen Landespolizeigesetzen vorgesehen, so auch im Berliner Gesetz von Ehrhart Körting, also nichts wirklich Neues. Selbst im BKA-Gesetz-Entwurf ist er bereits seit letztem Juli enthalten, ohne dass es Diskussionen darüber gab. In dem Entwurf sind Spähangriff und Lauschangriff in Paragraf 20h einheitlich geregelt. Sie sollen zulässig sein gegen Menschen, die mit der Vorbereitung eines Terroranschlags begonnen haben und – kurz vor dem Anschlag – auch gegen ihre Kontaktpersonen. Möglich ist das in der Wohnung der Verdächtigen, und wenn dies nicht genügt, auch in anderen Wohnungen, in denen sich der Verdächtige aufhalten könnte. Wegen des Angriffs auf die Wohnung von Unverdächtigen erwägt der FDP-Politiker Gerhard Baum eine Verfassungsklage.

Der Gesetzentwurf sieht auch Vorschriften zum Schutz der Privatsphäre vor, die aber eher zu Lauschangriffen als zur optischen Überwachung passen. So sind beide Maßnahmen nicht möglich, wenn damit zu rechnen ist, dass es vermutlich zu „Äußerungen“ aus dem „Kernbereich privater Lebensgestaltung“ kommen könnte. Es fehlt eine Vorschrift, die Aufnahmen in Räumen verbietet, in denen Menschen sich üblicherweise aus- und umziehen. CHRISTIAN RATH

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