Fit gegen braune Lügen

Der Soziale Friedensdienst Bremen trainiert in Rollenspielen den Umgang mit rechtsextremer Propaganda

Was tun, wenn auf dem Schulhof mal wieder von Oma die Rede ist, die unter Hitler doch so sicher über die Straße gehen konnte? Oder von der „Auschwitz-Legende“? Wenn „Lüge“ das einzige Argument gegen die geschulten Agitatoren der Rechtsextremen sei, habe man schon verloren, sagt der Historiker Markus Tiedemann. Ganz schlecht sei es, sich zu empören: „Dann kommen die Nazis in die Opferrolle.“

Im Rollenspiel beim Sozialen Friedensdienst in Bremen reizt Tiedemann die 22-jährige Monique bis aufs Blut: Der Hollywood-Streifen „Schindlers Liste“ sei genauso erfunden wie die Größe des Ungeheuers in Spielbergs „Weißer Hai“. Und Vergasungen habe es in Auschwitz gar nicht gegeben, denn Zyklon B sei erst ab 26 Grad Celsius gasförmig. In Auschwitz sei es aber nachweislich kälter.

„War Dein Opa etwa ein Killer?“, fragt Horst Monique, die in einer Kirchengemeinde ein freiwilliges soziales Jahr leistet, noch direkter. Und erntet ein zögerliches „Nein“. „Nazis leugnen Quellen, erfinden oder manipulieren Fakten, greifen persönlich an und wollen mit Spezialwissen glänzen, um Brücken ins bürgerliche Lager zu schlagen“, erläutert Tiedemann.

„Scheiß Faschist“ als Reaktion sei dann genauso schlecht wie der Geschichtsfälschung ganz auszuweichen. „Die unwidersprochene Parole erweckt besonders bei Unentschlossenen schnell den Eindruck, nicht widerlegbar und damit wahr zu sein.“ Als Gegengift empfiehlt Tiedemann Fakten – und jeder noch so unerträglichen Behauptung mit Ruhe zu begegnen. In seinem Buch „In Auschwitz wurde niemand vergast“ listet der Historiker die 60 meistgebrauchten rechtsradikalen Lügen auf und gibt Hinweise, wie sie zu widerlegen sind.

Auch wenn der Zorn steigt: Der Hinweis auf die Körperwärme der zusammengepferchten Menschen in den Gaskammern ist die richtige Antwort für Auschwitz-Leugner. Und was Oma betrifft: Ja, die war sicher. Vorausgesetzt, sie war keine Demokratin, Sozialistin, Feministin, Gewerkschaftlerin, Kommunistin, Jazz-Liebhaberin, Jüdin, Roma, Sinti, überzeugte Christin, Zeugin Jehovas, abstrakte Künstlerin, Reformpädagogin, nicht behindert und nicht lesbisch.

Dieter Sell/EPD