Russland plant AKW

Die russische Rosatom will ein Atomkraftwerk in Kaliningrad bauen. Nachbarstaaten sind dagegen

STOCKHOLM taz ■ „Zwei AKWs in einer so kleinen Region wären eindeutig zu viel“, sagt Ceslovas Laurinavicius, Politologe an der Universität Wilnius: „Das könnte ein Schachmatt für Litauen bedeuten.“

In der vergangenen Woche wurden Pläne der staatlichen russischen Atomenergieagentur Rosatom bekannt, im Gebiet der Exklave Kaliningrad ein Atomkraftwerk zu bauen. Das hat vor allem im Nachbarland Litauen für Aufregung gesorgt. Denn der mögliche Export von Atomstrom aus Kaliningrad in die baltischen Staaten und nach Polen könnte den eigenen AKW-Neubauplänen wirtschaftlich endgültig die Grundlage entziehen.

Ein Abkommen über das Neubauprojekt war von Rosatom-Chef und Ex-Premierminister Sergej Kirijenko und dem Gouverneur von Kaliningrad, Georgi Boos, am vergangenen Mittwoch unterzeichnet worden. Geplant ist ein Atomkraftwerk mit zwei Reaktoren vom Typ WER-1000 mit einer Leistung von 2.300 Megawatt, das unweit der Grenze zu Litauen errichtet werden soll. Kirijenko bezeichnete ein solches Kraftwerk als notwendig: Bislang bezieht Kaliningrad noch knapp 30 Prozent seines Stromverbrauchs aus dem litauischen AKW Ignalina, das 2009 stillgelegt wird.

Unklar ist aber offenbar die Finanzierung. Die Investitionskosten von geschätzten 5 Milliarden Euro will sich Rosatom mit westlichen Investoren teilen. Diese könnten sich mit bis zu 49 Prozent an dem Projekt beteiligen. Offenbar denkt man dabei vor allem an Stromversorger, die bereits auf dem russischen Markt aktiv sind, wie Eon.

In den ex-sowjetischen Staaten würde eine noch größere Abhängigkeit von russischen Energielieferungen auf massiven politischen Widerstand stoßen. Jurgis Vilemas, Vorstandvorsitzender der litauischen Netzgesellschaft „Lietuvos Energija“, hält den Rosatom-Vorstoß deshalb eher für einen Versuchsballon, um die Reaktionen zu testen.

Widerstand gegen die AKW-Pläne dürfte aber auch aus Moskau selbst kommen. Der Atomstrom würde nämlich mit dem erst vor zwei Jahren von Gazprom in Betrieb genommenen Kaliningrader Kraftwerk mit Wärmenutzung konkurrieren. Und auch mit einem möglichen Stromexport kommt Rosatom den Plänen von Gazprom in die Quere. Der russische Gaskonzern hat Litauen kürzlich erst Gespräche über den Bau eines neuen Gaskraftwerks angeboten, um damit die entstehende Stromlücke nach der Ignalina-Stilllegung auszufüllen. REINHARD WOLFF