Langer Weg in die Freiheit

Sunny Omwenyeke lässt sich nichts gefallen. Nicht in seiner Heimat und auch nicht von deutschen Behörden, gegen deren Schikanen er auch schon mal aus Protest in den Knast geht

Von BIRGIT GÄRTNER

„Endlich in Sicherheit“, dachte Sunny Omwenyeke, als er Mitte 1998 in Köln ankam. Was der damals 34-jährige Nigerianer nicht ahnte: Seine neue Freiheit würde für einige Jahre ein Leben als Asylbewerber im Sammellager Hannover-Langenhagen bedeuten, eingezäunt und eingepfercht mit Menschen aus aller Welt auf engstem Raum. Später wurde das Lager in ein Abschiebegefängnis umgewandelt und Omwenyeke nach Wolfsburg „umverteilt“.

In Nigeria hatte er sich in der Demokratiebewegung gegen die Militärdiktatur Sani Abachas engagiert, war mehrfach festgenommen worden, wurde polizeilich gesucht. „Ich wusste, dass mein Leben bedroht war, deshalb musste ich Nigeria verlassen“, sagt er.

Als er in Köln ankam, tourte gerade die erste Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen durch die BRD, organisiert unter anderem von der Flüchtlingsselbstorganisation „The Voice – African Forum“. Unter dem Motto „Wir haben keine Wahl, aber eine Stimme“, wollten die Flüchtlinge sich in den Bundestagswahlkampf einbringen. „Ich kam zu spät, aber ich habe an dem Abschlusstreffen im Herbst 1998 teilgenommen. Seitdem bin ich dabei“, sagt Omwenyeke. „The Voice“-Gründer Osaren Igbinoba ist ebenfalls Nigerianer und pflegte Kontakte in sein Herkunftsland, um aktuelle Informationen für nigerianische Asylbewerber zu sammeln. So lernte Omwenyeke ihn schon kennen, als er noch in Nigeria lebte.

The Voice und die Karawane veranstalteten im Sommer 2000 den Flüchtlingskongress in Jena. Omwenyeke organisierte die Reisen für Gäste aus aller Welt: Er verhandelte mit Behörden, beantragte Visa, buchte Flüge. Fast alle geladenen Gäste kamen nach Jena, er ebnete ihnen den Weg dafür. Doch als er selbst bei der Ausländerbehörde eine Reiseerlaubnis beantragte, hieß es: „Nein, Herr Omwenyeke, wir sehen keinen Grund, weshalb Sie nach Jena reisen sollten.“ Als Asylbewerber unterlag er der so genannten Residenzpflicht und durfte den Landkreis, in dem er registriert war, nicht ohne behördliche Genehmigung verlassen. „Das war das erste und letzte Mal, dass ich um Erlaubnis gebeten habe“, sagt er rückblickend.

Er fuhr trotzdem nach Jena, betreute die Gäste, sprach mit der Presse und wurde mehrfach zitiert. Ein Mitarbeiter der zuständigen Ausländerbehörde entdeckte einen der Artikel, in dem Omwenyeke zu Wort kam und erstatte Anzeige. In einem langen Verfahren wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt, die zu zahlen er sich weigerte. Im Dezember 2004 wurde er schließlich inhaftiert. Zu dem Zeitpunkt war er anerkannter Asylberechtigter, verheiratet und lebte seit drei Jahren in Bremen. „Ich werde dieses rassistische Gesetz niemals akzeptieren, deshalb wollte ich auch die Geldstrafe nicht bezahlen“, sagt er. Am 23. Dezember 2004 wurde er amnestiert – ein weihnachtlicher Gnadenakt, um den er niemanden gebeten hat, wie er betont.

Im Sommer 2002, im Vorfeld der Bundestagswahlen, macht die Karawane sich wieder auf den Weg. Fünf Wochen, vom Start in Bremen am 17. August bis zur Abschlussdemonstration am 20. September in Berlin, protestiert der „Flüchtlingstreck“ vor verschiedenen Asylunterkünften und Sammellagern gegen die miserablen Lebensbedingungen von Flüchtlingen und in zahlreichen Städten mit Kundgebungen und Demos gegen „Schily’s racist law“, wie sie das Zuwanderungsbegrenzungsgesetz nennen. Stationen sind unter anderem das Abschiebelager in Bramsche-Hesepe, der Abschiebeknast in Hannover-Langenhagen, das Flüchtlingsschiff Bibby Altona im Hamburger Hafen und das Örtchen Algermissen in Niedersachsen, wo männliche Bewohner eine Hetzjagd auf asiatische Asylbewerber veranstaltet hatten. Omwenyeke immer vorneweg.

Seit zehn Jahren lebt er in Deutschland, genauso lange engagiert er sich für die Rechte von Flüchtlingen, bei The Voice und in der Karawane Bremen, wo er beim traditionellen Kulturdinner die Gäste bekocht – mit „Fufu à la Sunny“, dem afrikanischen Universalgericht.

Als anerkannter Asylbewerber mit unbefristeter Aufenthaltsgenehmigung könnte er sich eigentlich entspannt zurück lehnen, doch daran denkt er nicht. „So lange Flüchtlinge in diesem Land in Lager eingesperrt sind, in Abschiebehaft genommen und in Folter und Hunger abgeschoben werden, so lange Menschen wegen ihrer Hautfarbe erschlagen werden, so lange werde ich weiter gegen Rassismus kämpfen“, sagt er. „Wir Flüchtlinge und Migrantinnen haben überhaupt keine andere Wahl, egal welchen rechtlichen Status wir haben.“

Kulturdinner, jeden 1. Donnerstag im Monat, 20 Uhr, Paradox, Bernhardstr. 10–12, Bremen Karawane-Café, jeden 1. und 4. Donnerstag im Monat, 18h, Brigittenstraße 5, Hamburg. Infos unter: www.thecaravan.org