Der rechte Schatten

Mit Peter Krause wird in Thüringen jemand Kultusminister, den eine Kennerin als „völkischen rechten Boheme“ bezeichnet

VON K. SCHLIETER, R. BOLLMANN, M. BARTSCH

Personelle Not, ein dilettantisch agierender Ministerpräsident und vielleicht Kalkül. Für Beobachter unerwartet, besetzt Althaus am Mittwoch sechs von neun Ministerposten neu. Es stellt sich die Frage, warum der Merkel-Vertraute Dieter Althaus (CDU) als Kultusminister ausgerechnet Peter Krause (CDU) beruft. Denn dessen Vergangenheit disqualifiziert den Literaturwissenschaftler für den Job, für den er am 8. Mai im Landtag vereidigt werden soll. Meinen viele.

Der Mann arbeitete Ende der 90er-Jahre einige Monate für die Wochenzeitung Junge Freiheit als Redakteur. Ein Organ der „Neuen Rechten“, das nicht als rechtsextrem bezeichnet werden darf. Sonst gibt es Ärger. Krause war dieser politische Hintergrund „nicht als rechtsextrem bekannt“ – so sagte er es der Thüringischen Landeszeitung (TLZ) im Jahr 2004. Am Donnerstag adelte er die Rechtspostille in der TLZ zu einem „anerkannten Medium in der Presselandschaft“, dem „Politiker aller Lager“ Interviews gäben. Am Freitag nun fiel ihm auf: Die Zeitung „vertritt eine politische Linie, die ich als CDU-Politiker nicht teile“. Krause, dass sollte erwähnt werden, hat in Redekunst promoviert.

Ist er nun ein gefährlicher Rechter, der feinsinnig Ressentiments schürt? Oder jemand, der sich nicht den Mund verbieten lässt? Eine, die den Mann seit Jahren kennt, nennt ihn einen „völkischen rechten Boheme“, der Wert auf seine Unkonventionalität lege, sich gern schwarz kleide, einen, der sich als Gegenbild der Spießigkeit begreife, jemand, der seine Helden etwa beim Freikorpskämpfer Ernst von Salomon finde und seine möglicherweise rechte Gesinnung hinter verschwiemelten Worthülsen verberge. Zur taz sagte Krause gestern über sich selbst: „Nirgends hineinpassen, souverän und anders sein.“

Der Thüringer SPD-Chef Christoph Matschie fürchtet nun um Thüringens Ruf. Zu Krauses publizistischer Einschätzung der Jungen Freiheit sagt Matschie zur taz: „Ich kann dahinter nur eine politische Einstellung vermuten“, zumal bei einer Zeitung, „die von Experten als Scharnier zur extremen Rechten bezeichnet wird“. Krause wird als Kultusminister auch zuständig für die Bildung der Thüringer Schüler. Und: Er wäre qua Amt auch Stiftungsvorsitzender der Gedenkstätte Buchenwald-Dora.

Deren Stiftungsdirektor, Volkhard Knigge, zeigt sich im Gespräch mit der taz besorgt: „Für die Glaubwürdigkeit der international anerkannten Stiftung ist es nicht förderlich, wenn der Stiftungsrat sich in Grauzonen zum rechten Rand bewegt.“ Die Kampfbereitschaft gegen rechts „wird nicht glaubwürdiger durch diese Berufung“, sagt der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, der taz.

Für Krause hingegen ist die Kritik von verschiedenen Seiten eine Kampagne, die ihn überrascht habe. „Das Lagerdenken war und ist zu stark“, sagt er. Und die Junge Freiheit sei „eine taz von rechts“. Matschie betont dagegen, Althaus solle den Minister zurückziehen, und meint zudem: „Es wäre gut, wenn die Kanzlerin ein Auge darauf hätte, was hier passiert.“

Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel, die im Fall der Trauerrede des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger für seinen Amtsvorgänger Hans Filbinger sogar vom Osterurlaub aus eingegriffen und dies umgehend publik gemacht hatte, schweigt diesmal. Oettinger hatte den Verstorbenen, der als Marinerichter noch kurz vor Kriegsende an Todesurteilen beteiligt war, als Widerstandskämpfer dargestellt.

Im Gegensatz zu Oettinger ist der Erfurter Ministerpräsident Dieter Althaus aber ein treuer Mitstreiter Merkels. Er hielt auch zur Vorsitzenden, als ihre Stellung in der Partei prekärer war. Vor der letzten Bundestagswahl war Althaus einer der ersten CDU-Landesvorsitzenden, die Merkel ein „Zugriffsrecht“ auf die Kanzlerkandidatur attestierten. Ein Machtwort aus Berlin könnte zudem dazu führen, dass die absehbaren Verluste der CDU bei der Landtagswahl im kommenden Jahr auch der Bundesspitze angelastet werden. Denn Althaus ist in Not: Im nächsten Jahr verhelfen die Thüringer bei den Landtagswahlen vielleicht erstmals einem Ministerpräsidenten von der Linkspartei ins Amt. Die CDU liegt bei 33 Prozent, SPD und Linke schaffen es auf rund 50 Prozent.

Das Personalkarussell im Althaus-Kabinett spricht nicht unbedingt für ein professionelles Management. Es wirkt wie eine überhitzte Entscheidung aus dem Bauch. Ein Verhalten, das für seinen Stil nicht ungewöhnlich ist. Krause sagt, er hätte von Althaus am Dienstag den Posten angeboten bekommen. Die künftige Justizministerin Marion Walsmann sagt, Althaus hätte sie am Freitag gefragt. Auch ihre Personalie ist umstritten: Sie war von 1986 bis zur Wende in der DDR-Volkskammer. Ihr Posten als Landtagsabgeordnete sei schon okay, meint Matschie, aber als Zuständige für Justiz? Nein. Klar ist für ihn: „Wenn ein Ministerpräsident zwei Drittel des Kabinetts austauschen muss, dann ist das ein Offenbarungseid.“

Für die Personalie Krause hat Krause eine Erklärung gefunden: „Wohl wegen meiner Ehrlichkeit und Unvoreingenommenheit hat mich Althaus in die Regierung geholt.“