Kampf um den 1. Mai

Rechte wollen den Internationalen Tag der Arbeit durch einen Aufmarsch in Barmbek national wenden. Antifa, Kirchen, Gewerkschaften und Gewerbetreibende protestieren gegen diesen Plan

„Die Polizei hat gemerkt, dass sich die Geschäftswelt an den Protesten beteiligt“

VON ANDREAS SPEIT
UND PETER MÜLLER

Barmbek wehrt sich: Wenn am 1. Mai, dem Tag der Gewerkschaften, Neonazis in Barmbek-Nord marschieren, werden etliche Hamburger Bündnisse und Institutionen gegen diese Provokation auf die Straße gehen. Die Polizei kündigt an, „Versammlungsteilnehmer, die verschiedene Meinungen vertreten, konsequent voneinander zu trennen“, sagt Polizeisprecherin Christiane Leven. Das Bündnis gegen Rechts (BgR) verspricht indes: „Wir stellen uns quer“.

Unter dem Motto „Arbeit und soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen. Gemeinsam gegen Globalisierung“, mobilisieren die NPD und „Freie Kameradschaften“ (FK) aus dem Norden. Manfred Murck, Vizepräsident des Verfassungsschutz, sagt: „Eine hohe dreistellige Teilnehmerzahl ist möglich.“ An die 1.000 Neonazis könnten kommen, denkt Sebastian Frentzel vom BgR. Aus dem skandinavischen Raum sollen zudem Kameraden anreisen.

Der Marsch ist für die NPD und die FK nicht ein Marsch von vielen. Im Gegenteil: Die von der FK-Aktivistin Inge Nottelmann angemeldete Tour wurde von weiteren Aktionen im Vorfeld flankiert. Schon Anfang März gab es eine Mobilisierungsveranstaltung im Zusammenhang mit dem 1. Mai. Ganz offensichtlich bemühen die Rechten sich, in Hamburg ihre Aktionen inhaltlich nachhaltig vorzubereiten. Beispielsweise führte eine Theatergruppe ein Stück über den Umgang mit „deutschen Arbeitern“ bei einer „Außenstelle der Bundesagentur für Arbeit“ auf.

„Ein Bonze“, berichtet das „Aktionsbüro Nord“, zeige eine „gewisse Affinität zu einem besonders geschäftstüchtigen Menschenschlag“. Damit dürften die Juden gemeint sein – heißt es doch in der NPD-Anleitung „Argumente für Kandidaten und Funktionsträger“, dass die Globalisierung das „planetarische Ausgreifen“ des „großen Geldes“ sei, welches „seines Wesen nach jüdisch-nomadisch und ortlos“ sei. Ein Vortag zur 1. Mai-Geschichte rundete das Event ab. Dass Adolf Hitler den 1. Mai als Feiertag einführte, erwähnte der Referent. Unerwähnt ließ er, dass am 2. Mai die SS und SA die Gewerkschaftshäuser stürmten und die Gewerkschaften verboten.

Ganz bürger- und arbeiternah gerieren sich vor dem Marsch NPD und FK auch in verschiedenen Stadtteilen. In Barmbek richteten sie einen Infostand ein und wollen bislang 30.000 Flugblätter verteilt haben. Am Wochenende verteilten sie Flyer für ihren 1. Mai-Marsch in Steilshoop – und das nicht zum ersten Mal.

Gegen den braunen Mob wird mobilisiert wie schon lange nicht mehr. Neben dem BgR rufen auch die Kirchen und die SPD-Spitze sowie alle Gewerkschafts-Chefs dazu auf, die Proteste in Barmbek zu unterstützen. „Für Nazis ist kein Platz in unserer Stadt“, heißt es.

Dabei müssen der DGB-Chef Erhard Pumm, Bischöfin Maria Jepsen und Erzbischof Werner Thissen einen Spagat aufs Parkett legen, da der DGB seine traditionelle Maikundgebung aus Barmbek nach St. Pauli verlegt hat und dort anlässlich des Feiertags Christi Himmelfahrt auch ein ökumenischer Gottesdienst stattfindet. Denn im Februar war dem DGB von der Polizei eine Maikundgebung am Ort des vergangenen Jahres, nämlich vor dem Museum der Arbeit, verwehrt worden, da die NPD den Vorplatz für einen Aufmarsch angemeldet hatte.

Inzwischen hat die Polizei den Vorplatz für die Rechten für tabu erklärt, so dass antifaschistische Proteste nun doch vorm Museum auf dem Wiesendamm ab 10 Uhr beginnen können. Dafür sollen sich die Neonazis in Barmbek-Nord breitmachen dürfen. Eine angemeldete antifaschistische Demo über die Fühlsbüttler Straße – das Herz von Barmbek Nord – will die Polizei nicht genehmigen. „Die AnwohnerInnen und Gewerbetreibenden sollen offenbar mit den Nazis allein gelassen werden und antifaschistischen Protest gegen die Provokation ausgesperrt werden“, empört sich Wolfram Siede vom BgR. Das Bündnis werde gegen die Auflagen der Versammlungsbehörde gerichtlich vorgehen, kündigt Siede an: „Das sind wir den vielen engagierten Bürgern im Stadtteil schuldig.“

Denn seit Wochen regt sich in Barmbek ein bunter und vielfältiger Widerstand von Gewerbetreibenden, AnwohnerInnen sowie Kirchengemeinden und Bürgervereinen aus dem Viertel, die mit einem gemeinsam Plakat zu Protesten aufrufen. „Barmbek sagt nein!“ Kneipen und Cafés werden am 1. Mai für Protestler öffnen und die Kirchen ihre Glocken läuten lassen. Vor Geschäften sollen Plakate hängen, auf denen ein Hakenkreuz in die Mülltonne fliegt.

Dass nun doch das Museum für die Nazis zur Tabu-Zone erklärt worden ist, ist vor allem dem Widerstand vor Ort zuzuschreiben. „Die Polizei hat gemerkt, dass sich große Teile der Geschäftswelt an den Protesten beteiligen“, so Jürgen Boenig vom Museum der Arbeit. „Das war nicht zu ignorieren.“