: Red Hot Balkan Peppers
Beim Eurovision Contest in Kiew schlug eine Oma für sie auf die Pauke. Doch das war nur der Anfang. Nun wollen Zdob Si Zdub aus Moldawien mit ihrem Album „Ethnomecanica“ den Westen erobern
VON THOMAS WINKLER
Roman Iagupov sieht aus, wie Rockmusiker halt so aussehen nach einem Auftritt. Wirr hängt ihm das nasse halblange Haar ins Gesicht, die Augen sind gerötet, der Blick ist leer. Im Hintergrund dampft pappiger Kantinenfraß vor geleerten Bierflaschen. Roman Iagupov trägt eine Hose, die über den Oberschenkeln unnatürlich weit ist und weiter unten eng zuläuft. Das einzige Indiz dafür, dass Zdob Si Zdub mehr sind als nur eine weitere Rockband.
„Unser Rock …“, stockt der Sänger und sucht in seinem eher rudimentären Englisch nach dem rechten Wort, „… ist eher ungewöhnlich.“ Das ist noch untertrieben. Denn das Sextett aus Moldawien klingt stellenweise, als wären die Beastie Boys auf einer Zigeunerhochzeit zu Gast: Hiphop-Einlagen wechseln bei ihnen mit Hirtenflöten, Metal-Gitarren mit Volkstanzrhythmen und Gipsy-Posaunen, traditionelle Trinklieder mit Country-Pickung. Zwischendrin ein Geträller, das an bulgarische Frauenchöre erinnert, oder wehmütiger Balkangesang. Diese Mixtur wird allmählich auch im Westen immer populärer.
Zdob-Si-Zdub-Sprachrohr Iagupov weiß nicht so recht, wie er die Musik seiner Band nennen soll. 14 Jahre gibt es sie schon, gerade wurde mit dem Album „Ethnomecanica“ ein repräsentativer Querschnitt für den westeuropäischen Markt zusammengestellt. „Ethno-Punk oder Balkan-Wave“, schlägt er vor. Doch dass Zdob Si Zdub bereits auf der allerersten „Russendisko“-Compilation des Berliner Vorzeigeosteuropäers Wladimir Kaminer mit einem Song vertreten waren, hat früh zu ihrem Ruhm beigetragen.
Noch bekannter wurde die Band im Jahr 2005 durch einen „verfickten Gesangswettbewerb“, wie Iagupov sich ausdrückt: Beim Eurovision Song Contest in Kiew trat sie mit „Boonika Bata Doba“ (je nach Laune des Übersetzers: „Oma schlägt die Trommel“ oder „Schlagt die Oma!“) samt einer Rentnerin mit Rahmentrommel auf die Bühne. Am Ende erreichten Zdob Si Zdub damit einen respektablen sechsten Platz.
Zu diesem Zeitpunkt waren Zdob Si Zdub zu Hause längst Stars. Ein Status, der auch bei ihrem Auftritt in Berlin offenbar wird. Das Publikum in der Kulturbrauerei setzt sich großenteils aus Mitgliedern osteuropäischer Exilgemeinden zusammen. Mancher Text in Moldauisch, einem rumänischen Dialekt, wird Wort für Wort mitgesungen. Und in der ersten Reihe wird eine Besucherin nicht müde, die Natioonalfahne der Republik in die Luft zu recken.
Der Zwergstaat Moldawien liegt eingeklemmt zwischen der Ukraine und Rumänien. In diesen Nachbarländern touren Zdob Si Zdub regelmäßig: Mit Auftritten allein in ihrer kaum fünf Millionen Einwohner zählenden Heimat könnten sie kaum überleben. So haben sie sich auch in Russland mittlerweile eine Fangemeinde erspielt und treten auch in Moskau vor vollen Häusern auf.
Ganz so viele kommen noch nicht, wenn Zdob Si Zdub im Westen unterwegs sind. Gern gebucht werden sie aber auf großen Festivals, die sich darauf verlassen können, dass die Band auch ein bis dahin indifferentes Publikum mit großer Wahrscheinlichkeit in Feierlaune versetzt. Die explosive Mischung aus osteuropäischer Folklore und Versatzstücken aus angloamerikanischem Funkrock hat schließlich längst ein Mainstreampublikum erreicht. Wenn Iagupov meint, die Musik, die er und seine Mannen spielen, sei ein „Experiment, ja sogar Avantgarde“, dann kommt er mit dieser Einschätzung jedenfalls einige Jahre zu spät.
Als die Band gegründet wurde, war das natürlich noch anders. Den Anstoß, so erzählt die Legende, gab Anfang der Neunzigerjahre die Installation der allerersten Satellitenschüssel in Strășeni, einem Vorort der moldawischen Hauptstadt Chișinău. Mit der neuen Technik kam auch MTV in die Rock-Diaspora, und drei Schüler entdeckten Bands wie die Red Hot Chili Peppers, Faith No More und Pearl Jam. Damit war die Saat gelegt, 1994 wurde Zdob Si Zdub gegründet.
Anfänglich war der Rockeinfluss dominant – so lange, bis die Band in Moskau im Vorprogramm von Hardcore-Bands wie Soulfly und der Rollins Band auftreten durfte. Nur zum Spaß stimmten sie auf ihren Gitarren eine Hardcore-Version eines moldawischen Volkslieds an – und erregten Begeisterung. Da, so Iagupov, wuchs die Erkenntnis, „dass wir uns unterscheiden und einen eigenen Stil entwickeln mussten, um zu bestehen“. Von Nutzen waren da die von Volksmusik geprägte eigene Kindheit und die Vergangenheit Moldawiens, aus der sie seitdem mit vollen Händen schöpfen.
Die Pluderhose, da darf man sicher sein, wird noch eine Weile das Markenzeichen von Zdob Si Zdub bleiben.
Zdob Si Zdub: „Ethnomecanica“, (Lawine/Sony BMG). Festivals: 13. 6. Regensburg, 7. und 8. 7. Ulm, 11. 7. Karlsruhe, 26. 7. München, 8. 8. Jena
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