Der gelobte Sound

Zum 60. Geburtstag Israels stellt das bundesweite Festival „ILanD“ die Musikszene des Landes vor. Kultbands wie Boom Pam oder das Girl-Trio HaBanot Nechama treffen dabei auf deutsche Partner

VON THOMAS WINKLER

Ein beliebtes Bonmot, das Israel-Besuchern entgegengebracht wird, lautet: Wer nach Israel reise, der könne viele Eindrücke sammeln und viel Neues entdecken. Am Ende aber fahre er nach Hause mit mehr Fragen als zuvor. Denn Israel ist ein kompliziertes, trotz seiner überschaubaren Größe bisweilen unüberschaubares Land.

Diese Verwirrung spiegelt sich auch in der Musik von Boom Pam. Das Quartett aus Tel Aviv führt musikalisch zusammen, was im richtigen Leben nicht immer zusammenpasst. Den Surf-Twang aus Kalifornien bringen sie im Gleichklang mit der traditionellen Hochzeitsmusik des Balkans, den Jazz versöhnen sie mit der Folklore, den Rockabilly mit arabischen Harmonien und einer bayerischen Tuba. Selbst die Melancholie des Klezmer findet man auf ihrem neuen, zweiten Album mit dem Nonsens-Titel „Puerto Rican Nights“ (Essay Records), das dieser Tage auch in Deutschland erscheint. Bislang hatten Boom Pam diese Musik, die wie keine andere im Ausland für das jüdische Erbe steht, demonstrativ ignoriert, weil sie den touristischen Blick auf ihr Land nicht bedienen wollten.

Boom Pam gehören zu den Stars bei „ILanD“ – einer „Begegnung moderner Musik aus Israel und Deutschland“, wie es die Veranstalter formulieren. Denn von den Konflikten in Israel kann man jeden Tag in den Zeitungen lesen. Doch seine Musikszene ist im Ausland fast unbekannt. Um sie hierzulande vorzustellen, hat man drei deutsche und israelische Bands gepaart, die stilistisch zueinander passen. So adaptieren auch die 17 Hippies, die auf Boom Pam treffen werden, Folklore aus West und Ost und kreuzen sie mit der angloamerikanischen Pophistorie, um daraus etwas Neues zu schaffen. „Postpostpostpostpostmodern“, beschreibt Boom-Pam-Gitarrist Uri Brauner Kinrot den Ansatz seiner Band. Er könnte auch von den 17 Hippies stammen.

Wenn Boom Pam den kulturellen Schmelztiegel Israel in Töne fassen, dann zeigen die anderen beiden israelischen Teilnehmer an „ILanD“, dass aus dieser Verwirrung längst ein modernes, westlich orientiertes Land gewachsen ist. Da ist zum einen das Trio HaBanot Nechama, bestehend aus den Sängerinnen Karolina, Dana Adini und Yael Deckelbaum. Die drei waren schon zuvor als Solo-Künstlerinnen bekannt und sind noch in anderen Bands beschäftigt (in der israelischen Musikszene hat fast jeder gleich mehrere Engagements). Das Frauen-Trio erinnert ein wenig an die Indigo Girls, dockt mit seinen berückenden, virtuos ineinander verwobenen Vokal-Harmonien (in Englisch und Hebräisch) über akustischen Gitarren aber auch schwerelos an das grassierende Folk-Revival an. In Israel haben sie damit einen Nerv getroffen: Ihr Debütalbum wurde im vergangenen Jahr nach nur drei Wochen vergoldet und räumte anschließend alle verfügbaren Musikpreise ab.

Der Rapper Mook E wiederum gilt als Pionier des israelischen Hiphop. In diesem Genre spiegelt sich wie in keinem anderen der Konflikt zwischen Juden und Palästinensern. Denn auch die Jugendlichen aus den von Arbeitslosigkeit geplagten arabischen Vierteln und Städten erzählen im Rap von ihrer Perspektivlosigkeit und dem Leben als Israeli zweiter Klasse. Andererseits feiert ein israelischer Hiphop-Star wie Sublimal mit patriotischen Texten und protzigem Davidstern um dem Hals große kommerzielle Erfolge.

Den Boden für den Hiphop-Boom bereitete Mook E einst mit seiner Formation Shabak Samech: Als Schüler aus dem kleinen Städtchen Yavneh waren sie in den frühen Neunzigerjahren die Ersten, die auf Hebräisch zu rappen versuchten. Damals kopierten Shabak Samech noch die amerikanischen Vorbilder. Doch mittlerweile hat Mook E einen eigenen Stil entwickelt, der vor allem auf organische, akustische Klänge setzt, auch mal aus den musikalischen Einflüssen der Region schöpft, bisweilen sehr rockig und dann fast schon liedermacherhaft anmutet.

Auf „Shabbat Night Fever“, einer neuen Compilation mit aktueller Popmusik aus Israel, gehört der Beitrag von Mook E zu den wenigen, die das multikulturelle Erbe des Landes ausdrücklich berücksichtigen: In „Shabak Music“ baut er aus Oriental-Samples ein flotten Dance-Track. Der Reggae von Funset, der Rap von Coolooloosh, der Dancehall der Soulico Crew oder die Breakbeats von The Apples dagegen orientierten sich an internationalen Vorbildern und klingen, als hätten sie auch sonst wo auf der Welt entstehen können. So sind es neben Boom Pam nur der Produzent Babaganooshkain (mit „Coombah Yeah“) oder die Band Hadag Nachash, die arabische Harmonien nutzt, die auf „Shabbat Night Fever“ eine Brücke schlagen zwischen Folklore und Pop, zwischen Ost und West.

Natürlich kann man wie bei jeder Compilation über die Auswahl streiten. Auf „Shabbat Night Fever“ vermisst man bekannte Namen wie den Songwriter David Broza oder den Ethno-Reggae-Star Idan Raichel. Die Balkan-Polka-Kapelle TeaPacks, die Israel beim letzten Eurovision Song Contest vertreten hat, fehlt ebenso wie der Rapper Sublimal. Aber „Shabbat Night Fever“ erhebt nicht den Anspruch, ein repräsentatives Abbild der Musikszene zu liefern. Sie will lediglich einladen zu einer musikalischen Reise durch das moderne Israel, das komplizierteste Land der Welt.

„ILanD“-Festival vom 29. Mai bis 1. Juni. Einzelne Bands machen in Cottbus, Brandenburg, Köln und Leipzig Station, in Berlin ist das Finale. Die Compilation „Shabbat Night Fever“ (Fly Fast) kommt am 31. 5. Infos: www.iland.de