berliner szenen Herzgrün

In Bobos Blumengarten

Das „Rosmarinhaus“ gibt sich mediterran: Lavendel, Goldregen und lila Glyzinien, in die Höhe gezüchtete Bougainville-Bäumchen, Hängepetunien, Lavendelbüsche, Zitronenbäume. Den heimischen Frühling wollte man ins „Violahaus“ holen: Weiden und Birken stehen da Spalier, dazwischen das bescheidene Stiefmütterchen. Fleißige Lieschen hängen in Blumenampeln zwischen Kirschblütenzweigen und Fliedersträuchern.

„Herzgrün – Liebeslieder im Gewächshaus“ heißt die Konzertreihe, bei der man Sänger, Bands und Sony-Center-Laufkundschaft in ein Gewächshaus gesperrt hatte. Kommt man zufällig des Weges, ergeben die sich hinter Glas in der unwirklichen Kulisse verausgabenden Künstler ein bizarres Bild. „Es ist Unsinn, sagt die Vernunft. Es ist, was es ist, sagt die Liebe“, deklamiert der Moderator und stellt dann Bobo – vormals die Sängerin von „Bobo in the White Wooden Houses“ als „Engelsstimme aus Berlin“ vor. Bobo im roten Kleid spricht vom Liebeskummer, ohne den das Stück nicht entstanden wäre, dann hebt sie an zu singen. Draußen zeigt eine Hermèstuchträgerin mit spitzen, beringten Fingern auf den Zitronenbaum und erklärt ihrem Begleiter ein botanisches Detail.

Bobos Lied wird immer emotionaler, immer höher schraubt sich die Stimme, ebbt wieder ab und zeigt das ganze Repertoire der gängigen weiblichen Popstimmen: kindliches Fragen, verletztes Anschwellen, erotisches Hauchen. Verlässt man den surrealen Ort Richtung wahres Leben – also Richtung Arkaden mit H&M, Zara und Mexx –, dann drängen sich noch lange dämliche Metaphern von der Natur in all ihrer Künstlichkeit und von den Musikern, gefangen im Blumengarten, auf.

CHRISTIANE RÖSINGER