Nach dem Sturm die Wut

24 Millionen Menschen sollen vom Wirbelsturm betroffen sein. Erste Zeugen berichten von entsetzlichen Bildern

AUS BANGKOK NICOLA GLASS

Bei dem verheerenden Wirbelsturm „Nargis“ sind in dem verarmten südostasiatischen Land voraussichtlich mehr als 22.000 Menschen ums Leben gekommen. Das berichtet das Staatsfernsehen laut BBC. 41.000 würden noch vermisst. Im Irrawaddy-Delta sollen unzählige Leichen in den Straßen liegen. Dies berichteten Helfer nach einem ersten Hubschrauberflug über die Region.

Mittlerweile hat die als paranoid geltende Militärregierung, die berüchtigt dafür ist, ihr Land abzuschotten, um internationale Hilfe gebeten. Für Beobachter ist dies Indiz dafür, dass die Lage noch verheerender ist als bisher bekannt (siehe Interview). Der Junta dürfte es nicht passen, vor ihrem für Samstag angesetzten Verfassungsreferendum viele Ausländer im Lande zu haben.

Die Vereinten Nationen schätzen die Zahl der Obdachlosen auf mindestens eine Million. Insgesamt seien rund 24 Millionen Menschen von den Auswirkungen des Sturmes betroffen. Einige UN-Hilfsteams sind bereits im Land, andere haben auch vier Tage nach der Katastrophe noch keine Einreisegenehmigungen erhalten. Derzeit warteten fünf Experten in der thailändischen Hauptstadt Bangkok auf Visa, hieß es gestern. Die größte Herausforderung sei die Logistik, nämlich den Transport von Hilfsgütern in die weitab gelegenen Katastrophenregionen zu ermöglichen, sagte UN-Sprecher Richard Horsey der taz. Vor allem müssten die Betroffenen mit Unterkünften und sauberem Trinkwasser versorgt werden, um zu verhindern, dass sich Epidemien ausbreiteten. Der Wirbelsturm hat zudem Birmas Hauptanbauregion für Reis getroffen. Die Versorgung der Menschen mit dem Grundnahrungsmittel scheint bedroht.

Organisationen wie die Malteser und Care, die Länderbüros in Birma unterhalten, haben mit Hilfsmaßnahmen begonnen. Thailand schickte gestern morgen eine Maschine mit Medikamenten und Nahrungsmitteln, China hat eine ähnliche Lieferung angekündigt. Die EU, Deutschland, Frankreich, die USA und Indonesien boten finanzielle und technische Unterstützung an.

Wann und wie nun Hilfsgüter verteilt werden sollen, war aber zunächst noch unklar. „Wir können noch keine Einzelheiten nennen“, gab sich Sozialminister Maung Maung Swe kryptisch. Es werde sich zeigen, ob das Regime den ausländischen Helfern tatsächlich erlauben werde, ihre Arbeit zu machen, merkte Jeremy Woodrum von der „US Campaign for Burma“ an.

Dabei hat sich bei vielen Betroffenen ohnehin schon Wut angestaut. Vor dem verheerenden Sturm habe es in den staatlichen Medien keine Warnungen gegeben, hieß es gestern. Zudem sind etliche Bewohner frustriert darüber, dass sie in ihrer Not von Behörden und Militärs im Stich gelassen wurden. Bei den Aufräumarbeiten hätten sie ausschließlich Hilfe von buddhistischen Mönchen erhalten, aber nicht von der Regierung.

Auch Dissidenten warfen der Militärjunta vor, die Bevölkerung nicht ausreichend vor dem herannahenden Zyklon gewarnt zu haben. „Sie waren zu sehr damit beschäftigt, ihr Referendum vorzubereiten“, sagte Soe Aung auf einer Pressekonferenz in Bangkok. Der Sprecher der Partei Nationale Liga für Demokratie von Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi im Exil rief die Junta auf, das für Samstag geplante Referendum zu verschieben. Stattdessen sollten sich die Behörden besser um die Sturmopfer kümmern.

Die Junta ficht das offenbar nicht an. Trotz des verheerenden Ausmaßes der Naturkatastrophe soll das geplante Verfassungsreferendum am Samstag im Großteil des Landes abgehalten werden, hieß es gestern. Lediglich in 47 Gemeinden, wo „Nargis“ besonders gewütet hatte, werde die Abstimmung verschoben, berichtete das staatliche Fernsehen MRTV. Dort solle die Abstimmung ab dem 24. Mai nachgeholt werden