Militärs verhindern Hilfe

Nichts ist drängender, als den Menschen vor Ort zu helfen. Doch die Junta versucht das zu unterbinden. Manche befürchten, es könnte Monate dauern

Das Mündungsgebiet von Birmas Lebensader Irrawaddy war wegen seiner Fruchtbarkeit einmal die Reiskammer des Landes. Bis zu drei Ernten im Jahr sind hier möglich. Das vor der Katastrophe traumhaft schöne Gebiet ist von einem Gewirr von Flussläufen und Kanälen durchzogen, die dort die Hauptverkehrswege sind. Die flach gelegene Region war jedoch der rund drei Meter hohen Flutwelle weitgehend schutzlos ausgeliefert, als diese in der Nacht vom 3. auf den 4. Mai im Zuge des Wirbelsturms „Nargis“ das Gebiet traf. Viele Mangrovenwälder, die Schutz hätten bieten können, waren wegen der Gewinnung von Land für die Agrarwirtschaft bereits abgeholzt. In der Region, die am schwersten von der Katastrophe getroffen wurde, leben geschätzt etwa 20 Prozent der Gesamtbevölkerung. Es handelt sich um die am dichtesten besiedelte Region des Landes. Insgesamt leben 52 Millionen Menschen in Birma. Hilfsorganisationen fürchten, dass mindestens 40 Prozent der Opfer Kinder sind. Denn dies entspräche auch ihrem Anteil an der Bevölkerung unter 18 Jahren. HAN

VON SVEN HANSEN

Die birmesischen Militärs verzögern massiv internationale Hilfe und gefährden damit hunderttausende Überlebende des Zyklons. Hilfsorganisationen warnen bereits vor dem Ausbruch von Seuchen. Erste Helfer wurden bisher nur selektiv ins Land gelassen. Die Militärs wollen um jeden Preis die Kontrolle über das isolierte Land behalten.

Die meisten internationalen Helfer dürfen die frühere Hauptstadt Rangun bisher nicht verlassen. Vor in allem das am schwersten von der Katastrophe betroffene Irrawaddy-Delta konnten bisher kaum Hilfskräfte vordringen. Die Region südwestlich von Rangun (siehe Kasten) ist noch fast vollständig abgeschnitten. Bereits erteilte Reisegenehmigungen in dieses Gebiet wurden wieder entzogen, berichtet Esther Finis, Sprecherin von Malteser International in Köln, der taz. „Den Mitarbeitern vor Ort wurde auf die Frage, wann sie denn eine neue Genehmigung bekämen, gesagt, das könnte Monate dauern.“

Viele Helfer warten seit Tagen auf Einreisevisa. Von einem Vorausteam von UN-Nothelfern hätten inzwischen vier von fünf Personen ein Visum bekommen. Weitere 40 Personen von UN-Hilfsorganisationen warten seit Tagen auf die Visa, sagte Ralf Südhoff, der für Deutschland zuständige Sprecher des UN-Welternährungsprogramms (WFP). Zwei deutsche Mitarbeiter der Welthungerhilfe erhielten dagegen nach Angaben einer Sprecherin der Organisation „über Nacht“ ein Touristenvisum bei der Botschaft in Berlin. Dabei hätten sie nie im Zweifel gelassen, dass sie Nothelfer seien. Mitarbeiter von Caritas International berichteten der taz, dass drei seiner Experten für Flutkatastrophen aus Birmas Nachbarland Bangladesch Visa verweigert worden wären, während ein thailändischer Mitarbeiter einreisen durfte.

Gestern traf ein erstes UN-Flugzeug mit Hilfsgütern auf dem Flughafen in Rangun ein. Drei weitere UN-Flugzeuge hätten eine entsprechende Genehmigung gehabt, doch sei es hier zu Verzögerungen gekommen, so WFP-Sprecher Südhoff. Für Verwirrung sorgte die Meldung, eine US-Militärmaschine habe eine Genehmigung für Rangun erhalten. Später teilte die US-Botschaft in Bangkok mit, die US-Maschine fliege doch nicht. Dabei sei unklar, ob die Genehmigung wieder entzogen worden sei oder es sich um ein Missverständnis gehandelt hatte. Die US-Regierung hatte bisher die härtesten Sanktionen gegen die Junta verhängt.

WFP und Care Deutschland berichteten der taz, dass sie bereits Nahrungsmittel in Rangun und Vororten mit eigenen lokalen Mitarbeitern verteilt hätten. Dies sei über lokale Mitarbeiter geschehen. Die Organisationen sind seit Jahren vor Ort. Inzwischen müssten die eigenen Lager aufgefüllt werden. Doch selbst wenn endlich Hilfsgüter eingeführt werden könnten, sei es problematisch, diese zu verteilen. „Die Militärs wollen die Güter selbst verteilen,“ sagt Care-Nothilfeverteiler Wolfgang Tyderle. Care wolle aber „sicherstellen, dass die Mittel auch ankommen“. Die Verhandlung darüber könne sich lange hinziehen. Das Deutsche Rote Kreuz testet nach eigenen Angaben gerade mit einer ersten Flugzeugladung, ob sich die Junta an die Abmachung hält, dass Hilfsgüter über lokale Rote-Kreuz-Organisationen verteilt werden dürfen. Erst danach würden weitere Güter eingeflogen. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR steckten an der thailändisch-birmesischen Grenze 22 Lkw fest, die auf eine Einreisegenehmigung warten müssten.

Die Welthungerhilfe kauft Nahrungsmittel nur auf lokalen Märkten. Die Preise haben sich bereits verdreifacht. Nun bestehe die Gefahr, dass Hilfsorganisationen mit ihrer Nachfrage die Preise noch weiter in die Höhe treiben. Nahrung wird so für Einheimische noch unerschwinglicher, so Sprecherin Stefanie Koop. Das Prinzip der lokalen Beschaffung soll eigentlich verhindern, dass die Opfer von Hilfe abhängig werden.

Laut WFP-Sprecher Südhoff gibt es zudem große logistische Probleme. Die wenigen Straßen seien zerstört, das Irrawaddy-Delta nur noch per Schiff oder Helikopter zu erreichen. Doch sei bisher noch unklar, wie viele Schiffe überhaupt zur Verfügung stünden. Alle Hilfsorganisationen berichten zudem über große Kommunikationsprobleme. Die Junta lässt die in Katastrophengebieten sonst übliche Nutzung von Satellitentelefonen nicht zu. „Die lokalen Telefonleitungen sind völlig unzuverlässig“, so Tyderle von Care. Zwar besitzen viele Hilfsorganisationen eigene Notstromgeneratoren, doch geht diesen langsam der Diesel aus.

Im Auswärtigen Amt findet am Freitag ein Treffen des Koordinierungskreises Humanitäre Hilfe statt, in dem über gemeinsame Schritte beraten werden soll. Dabei dürfte es auch darum gehen, wie die Politik den Druck auf das Regime so dosieren kann, dass die Hilfe vor Ort erleichtert werden kann. Denn die Helfer müssen sich auf massivere Restriktionen einstellen, wenn sie der Militärjunta gegenüber zu kritisch auftreten.

Mitarbeit: Anna-Esther Younes