Mehr als nur Blumengießen

In generationsübergreifenden Wohngemeinschaften herrscht eine ganz besondere nachbarschaftliche Solidarität. Doch um in ein solches Projekt – etwa in Eimsbüttel – einziehen zu können, gilt es so manche Hürde zu nehmen oder lange Jahre zu warten

VON ELISABETH WEYDT

„Hier will ich nicht alt werden“, wusste Ilse Raab schon Anfang der 90er Jahre. In dem anonymen Haus, in dem sie momentan noch wohnt, wolle sie nicht verkümmern, sagt die 58-Jährige. Nun freut sie sich auf den Einzug in ein generationsübergreifendes Wohnprojekt in Eimsbüttel.

Das Interesse an solchen Hausgemeinschaften ist sehr groß. Gegenseitige Unterstützung und ein nachbarschaftliches Miteinander klingen verlockend, wenn als Alternative das Altersheim droht. Und auch junge Familien wissen die Hilfe der Älteren zu schätzen.

Der Weg dorthin ist allerdings lang und oft mühselig. „Es ist wie ein Sechser im Lotto, wenn man eine passende Wohnung in einem solchen Projekt findet“, sagt Josef Bura von der Stadtentwicklungsgesellschaft Stattbau Hamburg. Es gäbe zwar zirka 200 Wohnprojekte in der Stadt und in fast allen lebten irgendwann naturgemäß mehrere Generationen unter einem Dach. Es gebe aber viel mehr Interessenten als Wohnungen. Stattbau sucht seit den achtziger Jahren ständig neuen Wohnraum für solche Projekte. Auch Werner Lingenau von der Agentur für Baugemeinschaften in der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt beklagt die quantitative Diskrepanz zwischen Interessenten und Wohnungen: „Grundstücke fallen leider nicht vom Himmel.“ Die Agentur hilft bei der Gründung von Baugemeinschaften und vermittelt Interessierte an die Wohngemeinschaften.

Das generationsübergreifende Projekt an der Methfesselstraße in Eimsbüttel, an dem Ilse Raab beteiligt ist, befindet sich derzeit noch in der Planungsphase und ist voraussichtlich Weihnachten 2009 bezugsfertig. Schon jetzt ist aber nur noch eine kleinere Wohnung von 50 Quadratmetern zu vergeben.

Um das Mehrgenerationenhaus in die Tat umzusetzen, gründeten einige der künftigen Bewohner die Baugemeinschaft „Jung und Alt MM“. Im Juni ist Baubeginn, Weihnachten 2009 werden 17 Kinder und 30 Erwachsene in das Eigentumsprojekt ziehen, das 2.500 Euro pro Quadratmeter kostet. Das jüngste Mitglied wurde vor sieben Wochen geboren, das älteste ist 75. Interessenten habe es fünf- bis sechsmal so viele gegeben, sagt Iris Gietzelt, die Sprecherin der Gemeinschaft. Alle hätten mitgeplant, wie das Haus gestaltet werden solle. „Das ist manchmal anstrengend“, sagt sie. „Aber im Großen und Ganzen war es sehr pragmatisch und persönlich.“

Iris Neitmann, die als Architektin mehr als 30 solcher Baugemeinschaften in Hamburg betreut hat, kennt das Problem: „Es ist ein großer Energieaufwand“, sagt sie, „die Leute sind so verschieden.“ Wenn eine ältere Dame, die ihr Leben lang Hausfrau war, und ein junger aufstrebender Selbständiger gemeinsam ihr künftiges Zuhause planen sollen, ist das Konfliktpotential groß. Das gemeinsame Wohnen später sei aber sehr lebenswert, weiß die Architektin. „Es bildet das tatsächliche Leben ab.“

In Hamburg gibt es einige generationsübergreifende Wohnprojekte. Für Bura von Stattbau ist der „Bärenhof“ der Fluwog-Nordmark e G in der Langenhorner Chaussee ein besonders vorbildliches. „Hier gibt es eine aufmerksame Nachbarschaft, Ansprache, gegenseitige Unterstützung, Aktivitäten und sogar eine WG, in der acht demenziell Erkrankte wohnen.“

Agentur für Baugemeinschaften: ☎ 040 / 428 40 23 33; Wohngemeinschaft Jung und Alt e. V., 040 / 41 35 02 55; Stattbau, 040 / 432 94 20