Es geht darum, das Saatgut zu kontrollieren!

Über ein Jahrzehnt kämpfte Percy Schmeiser gegen unberechtigte Patentforderungen. Der kanadische Farmer und Träger des Right Livelihood Awards im Interview

Herr Schmeiser, wie ist die Situation in der Landwirtschaft in Kanada? Gibt es ein Höfesterben wie in Europa?

Percy Schmeiser: Weil viele junge Menschen nicht in den Betrieben bleiben, werden die Farmen immer größer. Auch in unserer Region sind Farmen mit 1.000 oder 2.000 Hektar nichts Ungewöhnliches mehr. Diese Betriebe machen ausschließlich Ackerbau. Auch die viehhaltenden Betriebe, Schweine- und Rinderfarmen, werden immer größer. Ställe mit 5.000 oder 10.000 Schweinen sind keine Sltenheit. Diese Entwicklung macht es für die kleineren Farmer sehr schwierig, zu bestehen.

Sie waren selbst Farmer. Wie groß war Ihr Betrieb? Hatten Sie Tiere, was haben Sie angebaut?

Unsere Farm liegt in Westkanada und ist 650 Hektar groß. Wir waren, was man in Kanada „Grainfarmers“ nennt, hatten also keine Rinder oder Schweine. Wir haben Weizen, Hafer und Gerste, aber vor allem unterschiedliche Rapssorten angebaut.

Als Monsanto Sie mit dem Ergebnis konfrontierte, dass Spuren des gentechnisch veränderten und patentierten Saatguts auf Ihren Flächen gefunden worden sind, wieso haben Sie damals die Strafe nicht einfach gezahlt, sondern sich der Auseinandersetzung gestellt?

Ich denke, am Anfang haben wir gar nicht richtig realisiert, in welcher Situation wir uns befanden. Vielleicht hätten wir uns mit Monsanto einigen können. Was wir aber nicht akzeptieren wollten, war, dass wir uns verpflichten sollten, nicht über den Vorgang zu reden. Uns war klar, dass wir unsere Meinungsfreiheit nicht aufgeben konnten. Kein Unternehmen hat das Recht, die Meinungsfreiheit zu kontrollieren.

Woher nehmen Sie Ihre Motivation in diesem Kampf?

Was uns viel geholfen hat, war unser christlicher Glauben. Wir haben einen starken religiösen Hintergrund. Der hat uns im Kampf gegen Monsanto sehr geholfen.

Sie sagten, dass Ihr Fall Konsequenzen für die derzeitige Diskussion in Kanada hatte?

Während meines Prozesses wurden viele Informationen öffentlich, die bisher nicht zugänglich gewesen waren. Dabei stellte sich heraus, dass die kanadische Regierung gemeinsam mit Monsanto gv-Pflanzen entwickelte. Das war eine große Überraschung. Wir fanden auch heraus, dass die kanadische Regierung für jedes Bushel (US-Volumenmaß, ca. 35 Liter) GMO, das verkauft wurde, eine Gebühr bekam. Sie können sich den Aufruhr denken, der daraufhin einsetzte. Die Regierung beendete unmittelbar ihre Zusammenarbeit mit Monsanto.

Wie war es für Sie persönlich, Ihre Frau und Ihre Kinder?

Unser Glück war, dass wir, nachdem der Fall vor Gericht war, all die Forderungen von Monsanto nicht bezahlen mussten. Wenn wir das hätten tun müssen, wären wir finanziell ruiniert gewesen. Ich werde nie vergessen, was meine Frau sagte, als wir zum Anwalt fuhren, um die Entscheidung des Gerichts entgegenzunehmen. Sie schaute zu unserem Haus und sagte: „Ich hoffe, ich habe heute Nacht noch ein Dach über dem Kopf.“

Woher kamen die vielen tausend Dollar für die Gerichts- und Anwaltskosten?

Das Geld bekamen wir, indem wir unser Farmland beliehen. Und dann baten wir um Hilfe. Überall auf der Welt haben uns Organisationen und Einzelpersonen unterstützt. Die Auseinandersetzung ist aber noch nicht zu Ende.

Umgekehrt haben jetzt Sie Monsanto verklagt.

Zwei Jahre nach dem ersten Fall wurde unser Feld erneut verunreinigt. Wir bauten auf diesem Feld Senf an. Monsanto wies nach, dass auf diesem Feld auch gv-Raps wuchs. Wir forderten von Monsanto, dass sie den Raps von Hand entfernen. Ihre Bedingung war, dass wir einen Vertrag unterschreiben und darauf verzichten, Monsanto vor Gericht zu bringen, und dass wir uns zum Schweigen verpflichten. Wir haben den Vertrag nicht unterschrieben, und ich sagte zu Monsanto: „Sie haben Ihr Eigentum auf unserem Eigentum. Nehmen Sie es weg.“ Monsanto weigerte sich, die Pflanzen zu entfernen, wenn wir den Vertrag nicht unterzeichnen. Also ließen wir die Pflanzen entfernen. Die Rechnungen schickten wir Monsanto. Die haben nicht gezahlt, und wir gingen vor Gericht.

Wie ist die Situation der GVO in Kanada?

Überall, wo gentechnisch veränderte Sorten eingeführt wurden, gab es ein Desaster. Die Erträge gingen zurück, neue Superunkräuter entstanden, und der Einsatz giftiger Pflanzenschutzmittel stieg.

Warum investieren die Unternehmen so viel in gentechnisch veränderte Pflanzen?

Es geht nicht darum, den Hunger der Welt zu bekämpfen, wie oft behauptet wird. Es geht nicht um die Steigerung der Erträge. Es geht einzig darum, das Saatgut zu kontrollieren. Das ist, worum sich alles dreht. Kontrolle!

Wie ist die Stimmung unter den Farmern, unter den Nachbarn?

Inzwischen gibt es viel Misstrauen zwischen den Nachbarn und unter den Farmern. Sie wird zusätzlich von den Monsanto-Mitarbeiter geschürt, die die Frauen und Familien ausfragen, um zu erfahren, was die Farmer machen.

Wie ist das Verhältnis zu Ihren Nachbarn? Einer von ihnen ist für die Verunreinigung auf Ihren Feldern verantwortlich.

Ich weiß, von wem die Verunreinigung kam. Es war in diesem Fall kein Pollenflug, sondern ist während des Transports passiert, weil er keine Plane auf dem Hänger hatte. Viele Leute haben mich immer wieder gefragt, warum hast du deinen Nachbarn nicht verklagt. Aber wie kannst du deinen Nachbarn verklagen, wenn ihr Freunde seid, gemeinsam feiert, die Kinder zusammen Hockey spielen? Wie kann man so einen Nachbarn verklagen?

Was denken die Kanadier über die Ablehnung der Gentechnik in Europa?

Wir sind sehr froh, dass die Europäer sich gegen die Unternehmen zur Wehr setzen. Wir hätten in Kanada auch ein Moratorium haben sollen, um mehr testen zu können.

Vielen Dank für das Gespräch.

INTERVIEW: SIGRID HERBST