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berliner szenen Statt Ausgehtipps

Schwarze Rauchwolke

Am Abend fahren wir mit dem Fahrrad auf dem Gehweg die Oberbaumbrücke hoch Richtung Friedrichshain. Es ist kaum ein Durchkommen. Überall stehen Fußgänger mit Bier in der Hand und starren spreeaufwärts gen Fernsehturm. Viele knipsen, manche filmen sogar.

„Die Zitty ist schuld“, lästere ich gegen meinen neuen Lieblingsgegner, „seit die den wahnsinnig neuen Trend ‚Sonnenuntergang auf der Oberbaumbrücke rockt‘ ausgerufen haben, muss auch noch der letzte Spa- cko diesen mit einem Mal megahippen Berlin-wär-so- geil-wenn-die-Berliner-nicht-wären-Event mitnehmen.“ Der Slalom durch die Stadtromantikerhorde ist dermaßen dicht gesteckt, dass wir aus Sicherheitsgründen nicht einen einzigen Blick nach links riskieren können.

„‚Urbane Penner, die nicht selten mit tausend Euro im Monat auskommen‘“, kichert Freundin U., den Artikel einer dieser minderjährigen Zeitgeistschnecken zitierend, die seit Jahr und Tag erfolgreich an dem Projekt „Tip für Arme“ schnitzen. „Tausend Euro – huhu, davon kann doch kein Mensch le-heben“, heule ich mit gespieltem Entsetzen auf, „Marienfelde rockt!“ „Im Tiergarten sollen die Bäume jetzt Blätter tragen“, grölt U., während sie gerade noch einem Punkerhund ausweicht, der eine Touristengruppe aus Pforzheim attackiert, „in Grün! Das wäre doch unbedingt ein Titelthema!“

An der nächsten Ampel müssen wir halten und können uns so endlich nach dem Sonnenuntergang umdrehen. Fast stockt uns der Atem: Ungefähr in Höhe des „Kiki Bloefeld“ wallt eine atompilzgroße schwarze Rauchwolke, winzig klein darunter Löschzüge mit Blaulicht. An die Ausgehtipps müsste noch mal einer ran.

ULI HANNEMANN

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