berliner szenen Multikulti

Kein Deo auf Schweiß

Der Karneval der Kulturen wird weit über Berlin hinaus für seinen „Multikulti-Faktor“ gerühmt. Dieses für die ewig Korrekten und Vorsichtigen erfundene Wort erfüllt in etwa den gleichen Zweck wie die Tatsache, dass der Deutsche seinen türkischen oder arabischen Nachbarn, Bekannten oder auch nur den Gemüsehändler generell duzt. Man versucht, zu verniedlichen, zu verharmlosen, denn eine „Gesellschaft für Menschen jedweder Herkunft“ hätte mit Sicherheit nicht dieselbe Anziehungskraft wie dieses putzige kleine Wort: Multikulti. Man muss nicht mal wissen, was es heißt.

An diesem Karneval betrachte ich das bunte Treiben aus einem Falafelladen. Ein Pärchen (er türkisch, sie deutsch) betritt den Laden. Als er sie fragt, was sie essen möchte, verkündet sie ihm und dem Rest des Ladens lautstark, dass sie „bei so welchen nichts esse“. Er bietet ihr sein Deospray an, sie wendet sich angeekelt ab und sagt: „So was machen nur Ausländer, wir Deutsche sprühen kein Deo auf Schweiß.“

In der Folge erinnert sie ihn an diese und jene vergessene Rechnung oder nicht erbrachte Freundschaftsdienste. Auch die Bezahlung geht nicht ohne Demütigung vonstatten. Als er Münzen herauskramt, um seinen Ayran zu bezahlen, stellt sie sich neben ihn beziehungsweise vor eine Gruppe älterer arabischer Männer und fragt laut, ob er „mal wieder Geld brauche?“

Mir platzt der Kragen. Ich frage sie, ob sie mitbekommen habe, wo sie sich befindet, was sie auf diesem Fest überhaupt verloren hätte, und ob sie bereit wäre sich einem Faustkampf mit meiner Freundin zu stellen. Ihre Antwort: „Wir sind ein feministisch aufgeklärtes Multikulti-Paar. Was verstehst du Kartoffel überhaupt von Türken?“ JURI STERNBURG