Grüner glauben

Der 97. Katholikentag hat sich Klimaneutralität auf die Fahnen geschrieben. Das Öko-Bewusstsein in der Kirche zu etablieren, war ein langer Weg – und der Handlungsbedarf bleibt groß, nimmt man den Anspruch von „Schöpfungsverantwortung“ ernst

Noch bis diesen Sonntag treffen sich Gläubige zum 97. Deutschen Katholikentag unter dem Leitwort „Du führst uns hinaus ins Weite“ in Osnabrück. Zu den 35.000 Dauerteilnehmern werden ebenso viele Tagesgäste erwartet. Schwerpunktthemen sind „Zukunft von Glaube und Kirche“ und „Zukunft der Gesellschaft“. Ihre Orientierung auf ein jüngeres Publikum sehen die Veranstalter als Erfolg: 30 Prozent der Dauergäste sind nach Veranstalterangaben zwischen 19 und 29 Jahren. Das ganze Programm findet sich im Internet unter: www.katholikentag.deABE

VON ANNEDORE BEELTE

„Macht euch die Erde untertan.“ Der biblische Auftrag lässt Raum für Interpretationen: alle Macht dem Menschen? Oder Verpflichtung zum Hegen und Pflegen? Der Katholikentag in Osnabrück, der gestern eröffnet wurde, will ernst machen mit der Verantwortung für die Schöpfung: Die Großveranstaltung mit mehr als 35.000 Dauerteilnehmern – weit mehr als den erwarteten 20.000 – soll klimaneutral ablaufen. Das heißt, die Veranstalter finanzieren ein Projekt, das die 4.000 Tonnen CO2, die bei der An- und Abreise, in Turnhallen, Gemeindehäusern und auf Bühnen anfallen, an anderer Stelle einsparen soll.

Die Wahl fiel auf den Bau eines Biomasse-Kraftwerks in Indien. Hier sollen Reishülsen verbrannt werden, die ansonsten nutzlos verfaulen, während zur Energiegewinnung Dieselkraftstoff in die Atmosphäre gejagt wird. 35.000 Euro, knapp ein halbes Prozent, fließen aus dem Etat des Katholikentags in das Projekt, die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) schießt noch einmal soviel zu.

Dies wird flankiert von einem Maßnahmenkatalog vor Ort nach dem Motto: Besser Emissionen vermeiden als kompensieren. „Durch die Selbstverpflichtung hat sich bei allen Beteiligten ein ökologisches Gespür entwickelt“, sagt Edmund Gumpert, Umweltbeauftragter im Bistum Würzburg und Mitglied im Umweltbeirat des Katholikentages. Wolfgang Ehrenlechner von der Katholischen Landjugendbewegung, ebenfalls im Umweltbeirat, wäre allerdings gerne früher in die Planungen eingebunden gewesen.

So war schon VW als Sponsor gewonnen, der sich zwar für die umweltschonende Blue-Motion-Technologie des Katholikentags-Fuhrparks rühmt. Diese bleibt jedoch, sagt Gumpert, hinter den heutigen Möglichkeiten zur Emissionsvermeidung zurück. Energiesparende Scheinwerfer auf allen Bühnen ließen sich ebenso wenig realisieren wie öko-faires Frühstück in allen Gemeinschaftsunterkünften.

Gemeinden erhalten nun einen finanziellen Bonus, wenn sie regionale Produkte und Transfair-Kaffee an die Gäste ausschenken - verpflichtet sind sie dazu nicht, sagt Ehrenlechner. „Beim Ökumenischen Kirchentag in München werden wir mehr erreichen“, hofft er.

Es war ein langer Weg, den Öko-Gedanken in der Kirche zu etablieren – und „es ist immer noch ein Kampf“, sagt Ehrenlechner.

In dem Dokument „Der Klimawandel – Brennpunkt globaler, intergenerationeller und ökologischer Gerechtigkeit“ hat die Deutsche Bischofskonferenz deutliche Worte gefunden. Selbst der Vatikan widmet sich im „Kompendium der Soziallehre der Kirche“ den Themen Umwelt und Klima. „Im Vatikan gibt es Differenzen darin, wie die Folgen des Klimawandels eingeschätzt werden“, sagt Markus Vogt, Sozialethiker an der Uni München und maßgeblich am Dokument der Bischofskonferenz beteiligt. „Darin ist er ein Spiegel der Gesellschaft. Aber es würde der Kirche gut anstehen, hier auf der Höhe der wissenschaftlichen Forschung zu sein.“

Für ökobewegte Katholiken sind es Rückschläge, wenn der Vatikan sich nicht durchringen kann, grüne Gentechnik zu verurteilen, oder Papst Benedikt den „friedlichen und sicheren Gebrauch der Atomkraft“ preist. „Hier traue ich der Fachliteratur mehr“, sagt Gumpert.

An der Kirchenbasis hat man das Thema Ökologie früh entdeckt: Jugendverbänden diente es schon in den siebziger Jahren als Emanzipationsthema, im Fairen Handel wurde Pionierarbeit geleistet. Den unauflöslichen Zusammenhang von Umweltschutz, Frieden und globaler Gerechtigkeit haben Christen frühzeitig formuliert. Doch zwischen offiziellen Verlautbarungen und dem Engagement der Ökobewegten an der Basis klafft eine breite Lücke im kirchlichen Mainstream.

„Vor der Kirche verkauft die Eine-Welt-Gruppe ihre Transfair-Waren – und im Gemeindesaal wird Aldi-Kaffee ausgeschenkt“, sagt Thomas Krämer von der Christlichen Initiative Romero das Dilemma. „Wir haben immer wieder Fortbildungen zum Wasser- und Energiesparen angeboten. Aber von den Verantwortlichen aus den Gemeinden hat nie jemand teilgenommen“, sagt Bernd Möllers, pensionierter Leiter des Bildungswerks der Bremer Katholiken.

Immerhin: 440 katholische Einrichtungen bundesweit lassen sich nach EMAS zertifizieren, einem europäischen Umweltmanagement-Standard, der sie zum regelmäßigen Blick auf Strom- und Gaszähler und kontinuierlicher Verbesserung der Sparmaßnahmen verpflichtet. Mehr als 700 haben Sonnenkollektoren auf ihren Gebäuden installiert. Doch der Handlungsbedarf bleibt riesig.

So besitzen die Kirchen in Deutschland enorme Macht als Einkäufer. „Dass Grabsteine nicht von Kindern in Indien gemeißelt werden sollten, hat sich herumgesprochen. Aber was ist mit den Pflastersteinen auf dem Kirchplatz, den Bettlaken im Krankenhaus?“, fragt Thomas Krämer.

Pünktlich zum Katholikentag stellten die Umweltbeauftragten beider Kirchen und die DBU die Initiative „Sozial einkaufen“ vor, die in zehn Testregionen anläuft. Doch gute Worte und Modellprojekte, meint Markus Vogt, reichen nicht mehr. Die Bischöfe sollen mutig Geld investieren und verbindliche Regelungen schaffen, fordert er. „In dem Fall ist die hierarchische Struktur der katholischen Kirche eine Chance.“