Journalist patzt, Prozess platzt

Wegen der Enttarnung eines Zeugen im Kriegsverbrecherprozess gegen den ehemaligen UÇK-Führer Ramush Haradinaj steht jetzt ein Journalist vor Gericht

Ein Kollege: „Es war wohl ein handwerklicher Fehler, Baton hatte kaum Kontakt“

SPLIT taz ■ Baton Haxhiu, das Aushängeschild des kosovarischen Journalismus, wird vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag angeklagt. Der 42-jährige Direktor der Zeitung Express soll im Vorjahr den Namen eines Zeugen für den Kriegsverbrecherprozess gegen den ehemaligen UÇK-Kommandanten Ramush Haradinaj publiziert haben, der sich im Zeugenschutzprogramm befand. Der Zeuge geriet dadurch in Gefahr, denn Gefolgsleute von Haradinaj versuchten, alle mundtot zu machen, deren Aussagen die Anklage gegen ihren Chef erhärten konnten. Nach der Veröffentlichung zogen die wichtigsten ihre Aussagebereitschaft zurück, und Haradinaj musste am 3. April dieses Jahres mangels Beweisen freigesprochen werden.

Gestern Nachmittag wurde Baton Haxhiu vom Gericht in Den Haag vernommen. Freunde und ehemalige Mitarbeiter sind fassungslos. Denn Baton Haxhiu ist nicht irgendwer, sondern einer der einflussreichsten Journalisten des Landes. Und ihm soll ein solch schwerwiegender handwerklicher Fehler unterlaufen sein?

Weltweit bekannt wurde Haxhiu während der Nato-Bombardierung Serbiens 1999, als gleichzeitig serbische Soldaten, Polizisten und Freischärler knapp eine Million Albaner aus dem Kosovo nach Mazedonien und Albanien vertrieben.

Am 28. März des gleichen Jahres ging die Nachricht um die Welt, fünf kosovarische Intellektuelle seien vom serbischen Militär abgeführt und erschossen worden. Neben dem beliebten Politiker Fatmi Agali auch der Chefredakteur der damals bekanntesten Zeitung des Kosovo, Koha Ditore: Baton Haxiu. Doch diese Meldung war falsch. Jedenfalls was Haxhiu betraf. Er erfuhr von seinem eigenen Tod aus der BBC in dem Keller, in dem er sich in Prishtina versteckt hielt.

Wenige Tage später gelang ihm die Flucht nach Mazedonien. Der Wiederauferstandene gab im Café „Arbi“ in Tetovo dann eine Pressekonferenz. Zusammen mit seinen Kollegen gelang es Baton, die Koha Ditore im Exil herauszugeben und nicht nur den Hunderttausenden von Flüchtlingen etwas Hoffnung zu geben, sondern auch den Reportern und Korrespondenten aus aller Welt Informationen und Interpretationen zur Lage im Kosovo zu liefern.

Nach der Rückkehr überwarf er sich mit dem Besitzer von Koha Ditore, dem bekannten Menschenrechtler und Politiker Veton Suroi, und wurde Direktor der Konkurrenzzeitung Express.

Baton Haxhiu blieb einer der einflussreichsten Meinungsmacher im Lande. Vor drei Monaten, als die Vorwürfe gegen ihn in Den Haag untersucht wurden, gab er seinen Posten auf. Am Montag wurde er in Prishtina festgenommen.

Einer seiner früheren Freunde und Kollegen aus der Zeit von Koha Ditore, sein Nachfolger als Chefredakteur, der heutige Berater der EU-Mission im Kosovo, Ardian Arifaj, weist allerdings alle Vermutungen zurück, Baton Haxhiu hätte sich mit der Veröffentlichung des Zeugennamens dem ehemaligen UÇK-Kommandeur und 2004 zum Ministerpräsidenten gewählten Ramush Haradinaj andienen wollen. „Es war wohl ein handwerklicher Fehler, Baton hatte kaum Kontakt zu Haradinaj,“ sagt Arifaj.

Baton Haxhiu ist der dritte Kosovo-Albaner, der sich wegen der Zeugen im Haradinaj-Prozess verantworten muss. Am 25. April 2008 wurden Astrit Haraqija and Bajrush Morina wegen des Versuchs angeklagt, geschützte Zeugen zu bedrohen. Sie befinden sich auf freiem Fuß. Dieser Prozess beginnt am 16. Juni; Baton Haxhiu wird noch etwas länger warten müssen.

ERICH RATHFELDER