„Wir brauchen eine Koalition der Willigen“

Auf Länder, die Geld für Schutzgebiete geben, hofft UN-Exekutivsekretär Ahmed Djoghlaf. Deutschland müsse mit gutem Beispiel vorangehen. Die Bonner Biodiversitätskonferenz ist seiner Meinung nach schon zur Halbzeit ein Erfolg

AHMED DJOGHLAF, 54, seit 2003 Generalsekretär des Artenschutz-Übereinkommens der UNO (CBD).

taz: Herr Djoghlaf, die Verhandlungen auf der Artenschutzkonferenz werden schwieriger. Ist es nicht ermüdend, dass einzelne Staaten immer wieder den Prozess aufhalten?

Ahmed Djoghlaf: 190 Länder mit unterschiedlichen Problemen und Ansichten zusammenzubringen ist natürlich schwierig. Dazu kommen noch etwa 1.000 Nichtregierungsorganisationen, die Wissenschaftler, die Unternehmen. Aber es muss sich etwas tun. Das zentrale Problem ist, dass wir eine rapide wachsende Menschheit ernähren und außerdem die Natur schützen müssen, auf einem Planeten, der wärmer und wärmer wird. 30Prozent aller bekannten Arten könnten durch den Klimawandel aussterben. Unser Umgang mit der Natur muss sich ändern.

Viel wird aber nicht herauskommen, wenn Länder wie Brasilien die Verhandlungen auch weiterhin blockieren.

Ich sehe nicht, dass Brasilien den Prozess behindert. Das Land ist eher ein Führer bei der Umsetzung der Artenschutzkonvention und hat auch beim Waldschutz viel erreicht.

Allerdings ist Brasilien auch einer der führenden Produzenten von Biokraftstoffen, die wichtige Artenschutzgebiete verdrängen. Das Land versucht, Auflagen zu verhindern.

Ob diese Pflanzen dem Artenschutz schaden, hängt aber davon ab, wo sie angebaut werden. Hier brauchen wir klare Standards. Auch Brasilien hat inzwischen anerkannt, dass der Anbau von Energiepflanzen den Artenschutz behindern kann. Es ist falsch, das Land zu verurteilen. Die Menschen dort möchten sich nicht bevormunden lassen. Ich habe zehn Jahre lang in Kenia gelebt. Dort ist das Holz häufig die einzige Energiequelle, weil viele Menschen keine Stromversorgung haben. Ihnen kann man nicht ernsthaft erzählen, dass sie mit dem Fällen von Bäumen die Lebensgrundlagen der Menschheit zerstören.

Trotzdem: Wie können Wirtschaftswachstum und Artensterben entkoppelt werden?

Länder wie Deutschland haben die Mittel und die Technologie, um die Probleme zu lösen. Sie müssen ein Beispiel für die sich entwickelnden Länder sein. Wir brauchen eine Koalition der Willigen, die Geld für die wichtigen Schutzgebiete geben. Sie helfen sich damit ja auch selbst. Wenn der Amazonasregenwald zerstört wird, leidet die ganze Welt.

Aber selbst in Deutschland gibt es noch große Defizite beim Waldschutz. Fehlt da nicht das Umweltbewusstsein, das Sie sich wünschen?

Ihr Deutschen unterschätzt häufig, was ihr erreicht habt. Hier wird sehr viel für den Umweltschutz getan. Ich hoffe, dass andere Länder das nachahmen und bei der nächsten Artenschutzkonferenz in Japan auch die USA dabei sein werden. Aber der langfristige Wandel wird von der jungen Generation ausgehen. Daher werden wir einen Jugendgipfel vor der nächsten Biodiversitätskonferenz organisieren.

Sehen Sie denn auch in den laufenden Verhandlungen Fortschritte?

Den Fortschritt sollte man nicht an der Menge des erzeugten Papiers bemessen. Es ist vielmehr der neue Geist der Verhandlung, der mich beeindruckt, diese internationale Aufmerksamkeit für das Thema. Dies wird die erste Biodiversitätskonferenz sein, an der in dieser Woche zahlreiche Staatschefs teilnehmen werden. Das wird die öffentliche Wahrnehmung weiter erhöhen.

Aber reicht das aus, damit der Rückgang der biologischen Vielfalt, wie geplant, bis 2010 gebremst wird?

Die Vertragsstaaten haben sich an dieses Ziel gebunden. Ich hoffe, dass wir es erreichen.

INTERVIEW: MORITZ SCHRÖDER