Ärztin muss ins Gefängnis

Nach dem Tod des vierjährigen Franjo ist die Hamburger Ärztin, die ihm eine Überdosis Glukose verabreicht hatte, zu 22 Monaten Haft verurteilt worden. Eine „Verkettung unglücklicher Umstände“ konnte das Gericht nicht erkennen

Eine wirkliche Chance hatte Franjo nicht. Nicht mehr, nachdem ein halber Liter 40-prozentige Glukose in den Vierjährigen eingelaufen war. Auch wenn die Ärztin ihren Fehler danach zugegeben hätte und man rechtzeitig Insulin injiziert hätte – es hätte nichts genutzt. Nach dieser Dosis wäre Franjo auf jeden Fall an einer Hirnschwellung gestorben.

Ein Jahr und zehn Monate muss die 49-jährige Narkoseärztin wegen fahrlässiger Tötung in Haft – ohne Bewährung. Außerdem darf sie fünf Jahre nicht in ihrem Beruf arbeiten, verkündete gestern das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek. „Sie hat durch ihre Tat dem Ansehen der Ärzteschaft einen schweren Schaden zugefügt“, sagte Amtsrichter Maximilian Rehder in der Urteilsbegründung.

Die Infusion hatte die Ärztin angeordnet, nachdem der Vierjährige nach einer Vorhautoperation im August 2006 im Krankenhaus Wilhelmstift nur schwer aufwachte und etwas fieberte. „Ich wollte nach drei Minuten wiederkommen und die Infusion stoppen“, hatte sie zu Beginn des Verfahrens erklärt. Dann habe ein Notruf sie abgelenkt, was zu ihrem fatalen Fehler geführt habe. Sie habe allerdings schon früh ihren Kollegen mitgeteilt, was sie verabreicht habe.

„Das einzige, was wir hier nicht haben, ist eine Verkettung unglücklicher Umstände“, so Richter Rehder. Er wertete die Aussagen der Ärztin nicht als strafmilderndes Geständnis, da sie die Verantwortung für die Tat nicht übernommen habe. Daher könne das Gericht auch nicht der von der Staatsanwaltschaft beantragten Bewährungsstrafe von 18 Monaten folgen.

Die Ärztin hatte wenige Stunden vor der Tat ihren Dienst angetreten, davor war sie in Urlaub gewesen. Zeugen hatten ausgesagt, sie habe die ungewöhnliche Glukose-Gabe mit den Worten verteidigt, „das ist wie Apfelsaft, danach geht es ihm wieder gut“. Als der Kleine krampfte, hohes Fieber bekam und die Ärzteschaft gemeinsam über die Ursache rätselte, habe sie geschwiegen. „Das ist ein ganz kapitaler Kunstfehler und kein momentanes Versagen“, urteilte der Amtsrichter.

Franjos Mutter und Großmutter waren daneben gesessen, als er die hochprozentige Lösung verabreicht bekam. Sie waren dabei, als er Kopfschmerzen bekam und krampfte. Trotzdem war die Mutter nach dem Prozess erleichtert. „Das ist Gerechtigkeit im strafrechtlichen Sinne. So, wie es ist, ist es in Ordnung“, sagte sie.

Aber auch die verurteilte Ärztin muss mit ihrer Tat leben. „Es gibt nichts, was ich unversucht lassen würde, um diesen Fehler ungeschehen zu machen“, hatte sie zu Prozessauftakt gesagt. Ihr Rechtsanwalt kündigte gegen das Urteil Rechtsmittel an.

SAVINA KOCH