Man ist betroffen

betr.: „Die brave Protestpartei“, taz vom 24. 4. 08

Lafontaines „Kampfrhetorik ist vielen unangenehm“. Das ist es! Darum heißt es immer wieder, Lafontaines Linie sei „populistisch“ und „nicht bezahlbar“. Er verstößt gegen den Stilkonsens der Berliner Republik, ja überhaupt gegen urdeutsch-bürgerliche Gepflogenheiten, die auch von linksliberalen Medienvertretern und von den „Realos“ der Linkspartei gelebt werden. In der Berliner Republik ist man betroffen und beunruhigt, wenn die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird, man ist nicht empört. Bloß keine überschießenden Emotionen bei den gepflegten Diskussionsrunden zulassen.

Darum auch der stets bemühte Vergleich mit den 1970er Jahren. „Sachlichkeit“ ist angesagt, selbst wenn die Verhältnisse an sich ein Affront sind. Dass nämlich die Verlierer der Reformagenda sich politisch allein gelassen fühlen, kann man da nur bedauerlich finden; skandalös findet man so was schon lange nicht mehr – dafür ist anscheinend die Mittelschicht noch zu gut in Schuss.

MALTE NEUMANN, Köln

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