Zeichen der Missachtung

Rita Schäfers neues Buch über „Frauen und Kriege in Afrika“ greift endlich ein lange verdrängtes Thema auf. Es hat das Zeug zum Standardwerk

VON UTE SCHEUB

Als Simbabwes Vizepräsidentin 2006 die Stadt Masvingo besuchen wollte, ließen Robert Mugabes Leute über 500 Händlerinnen, die das Stadtbild „störten“, mit Gewalt vertreiben. „Als Zeichen ihrer Missachtung“, schreibt Rita Schäfer, „entblößten sich viele der betroffenen Frauen vor der Polizei, um mit dieser traditionellen symbolreichen Ächtungsform deren Respektlosigkeit zu kritisieren. Denn viele Händlerinnen waren Haushaltsleiterinnen, die durch ihren Kleinhandel Aidswaisen versorgten.“

Es wimmelt von solchen Geschichten in Schäfers neuem Buch, „Frauen und Kriege in Afrika“. Manche zeugen von subversiver Gewitztheit der afrikanischen Frauen, viele andere von nackter Gewalt, von der Brutalität europäischer Kolonisatoren und neuer Herrscher und ihrer sexuellen Übergriffe.

Um beim Beispiel Simbabwe zu bleiben: Als „Rhodesien“ unterstand es seit 1889 der britischen Krone, wobei sich die weißen Kolonisatoren die fruchtbarsten Gebiete unter den Nagel rissen. 1963 entstand unter Führung von Robert Mugabe die Zanu, deren militärischer Arm ab 1972 einen Guerillakrieg gegen die weiße Minderheitsregierung führte.

Die rhodesische Armee ließ Dörfer bombardieren und Frauen und Mädchen vergewaltigen, „um den Afrikanern den Verlust ihrer männlichen Kontrolle vor Augen zu führen“. Ein Teil der Landbevölkerung wurde in „Schutzdörfer“ zwangsumgesiedelt, wo Mädchen genötigt wurden, Essen oder Seife gegen Sex zu tauschen.

Viele Frauen kämpften in Guerillagruppen mit, aber den allermeisten blieben Führungspositionen verwehrt, weil sie auf solchen Posten „das männliche Selbstverständnis“ bedroht hätten. Etliche Kommandanten umgaben sich nach Darstellung der Ethnologin „mit zehn oder mehr Geliebten, einigen Freundinnen und zwei oder mehreren ofiziellen ‚Ehefrauen‘ “. Frauen wurden offenbar in jeder Hinsicht als Dienstleisterinnen angesehen, und hier wiederholte sich das Muster „Seife gegen Sex“. Ein später gedrehter Spielfilm („Flame“) zeigte die Vergewaltigung einer jungen Guerillera durch den Kommandanten Che und wurde deshalb 1996 wegen angeblicher Pornografie zensiert.

1980 schließlich erlangte Simbabwe die Unabhängigkeit, und Mugabe nahm den Präsidentensessel ein – wo er stur hocken blieb. Die neue Ordnung, die seine Zanu-Partei einführte, war die alte patriarchalische. Viele Exkämpferinnen wurden laut Rita Schäfer von Reintegrationsprogrammen ausgeschlossen. Sie erhielten keine Arbeit, weil ihre Chefs fürchteten, „dass diese Frauen nicht zu kontrollieren seien und andere Arbeiterinnen aufwiegeln würden“. Und sie wurden von ihren Männern verlassen, weil ihre Schwiegereltern glaubten, sie „hätten durch den Kampf die Geschlechtergrenzen überschritten und sie seien keine respektablen Frauen“.

Auch die Zanu-Frauenliga war hier keine Hilfe, im Gegenteil: Sie rechtfertigte das im Laufe der Jahre immer härter werdende Vorgehen von Mugabes Untergebenen gegen RegimekritikerInnen. Seit 2000, so Schäfer, „sind Frauen und Mädchen zu Zielscheiben vergewaltigender Schlägertrupps geworden“.

Die Autorin stellt nicht nur Simbabwe vor, sondern auch Namibia, Südafrika, Angola, Mosambik, Liberia, Sierra Leone, Ruanda, Burundi, Uganda, Kongo, Sudan, Eritrea und Somalia. In jedem einzelnen Länderkapitel skizziert sie Geschichte und Kolonialherrschaft, bewaffnete Konflikte und Geschlechterverhältnisse. Eine ungeheure Fleißarbeit, die sich auch in einer langen Literaturliste für jedes Land niederschlägt. Auf diese Weise ist ein umfassendes Standardwerk entstanden, das die Lektüre hunderter Studien erspart.

Trotz ihrer enormen Unterschiede zeigen sich in all diesen Ländern Ähnlichkeiten: die Kontinuität von sexualisierter Gewalt durch Herrschaftseliten und in den Befreiungsbewegungen; das Ausmaß des Leidens besonders der afrikanischen Frauen und Mädchen; wie auch Männer zu Opfern werden und Frauen zu Tätern, wenn sie sich an diesen schmutzigen patriarchalischen Spielen beteiligen. Die heutige Situation Afrikas ist ohne einen Blick auf all das nicht zu verstehen, denn kein traumatisches Erlebnis zerstört Identität so tiefgehend und nachhaltig wie sexualisierte Gewalt.

Man mag beklagen, dass sich das Buch nicht zur erbaulichen Abendlektüre eignet – aber das liegt am Stoff und nicht an der Autorin, der hoch anzurechnen ist, dass sie sich so intensiv mit diesem verdrängten Thema auseinandersetzt. Man kann auch einige Ungenauigkeiten beklagen. So heißt der Al-Qaida-Chef nicht Osman bin Laden, und Halliburton ist kein Ölkonzern. Das aber mindert nicht den Wert dieses Buchs: Hier hat eine Wissenschaftlerin beispielhaft durchdekliniert, wie stark „schmutzige“ Geschlechterkämpfe die Geschichte und Gegenwart eines Kontinents geprägt haben.

Rita Schäfer: „Frauen und Kriege in Afrika. Ein Beitrag zur Gender-Forschung“. Verlag Brandes & Apsel, Frankfurt am Main 2008, 520 Seiten, 39,90 Euro