Der fröhliche Allgäuer Milchrevoluzzer

Der Chef des Milchviehhalter-Verbands, Romuald Schaber, kämpft dafür, dass Bauern mindestens 40 Cent pro Liter kriegen. Streiks und Proteste unterstützen auch Kollegen aus Nachbarländern FOTO: REUTERS

Alleine schon die herrliche Lage seines Bauernhofs im Oberallgäu lässt Romuald Schaber, den Chef des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), fröhlich lächeln. Der Mann hat ein sonniges Gemüt, kann aber knallhart verhandeln und in großen Zusammenhängen denken. Schaber ist ein Landwirt der neuen Generation, mit viel Grips, nicht nur mit Bauernschläue.

Der 51-Jährige erkannte früh, dass die Landwirtschaft in veralteten Strukturen keine Chance hat. Aber kann ein Milchbauer aus Bayern mit einem für beispielsweise ostdeutsche Verhältnisse winzigen Viehbestand (40 Kühe, 40 Jungrinder) für alle deutschen Kollegen sprechen? Kann er sie auf dem verminten Feld der EU-Milchpolitik erfolgreich vertreten? Schaber hat zumindest die Hartnäckigkeit und auch den Charme, um zu überzeugen. Er erklärt schlüssig, worum es geht beim Milchpreis, „der nach wie vor zu niedrig ist, um einen vernünftig bewirtschafteten Betrieb überleben zu lassen“. Vor zehn Jahren gründete er mit einigen Mitstreitern den Verband der Milchviehhalter, zuvor schon war er aktiv im „Krisenstab“, in dem sich Bauern zusammenschlossen, denen die Politik des Bauernverbandes und die Nähe zur Milchindustrie ein Gräuel war. 33.000 Mitglieder hat der BDM inzwischen, nach eigenen Angaben erzeugen seine Mitglieder knapp die Hälfte der Milch in Deutschland: Rund 28 Millionen Tonnen – Rekord in Europa.

Selten sind die Bauern einig, doch beim Milchstreik stehen auch hunderte von Nichtmitgliedern auf der Seite der Milchbauern, auch in vielen Nachbarländern. Weil sie alle wissen, dass es die letzte Chance ist, den Großen der Milchindustrie Kontra zu geben. Vom „Zusammenhalt und der Solidarität der Milcherzeuger“ spricht Schaber stolz. Die Idee einiger BDM-Bauern von einer Art Milch-Opec, die europaweit die Preise (mit)bestimmt, wird freilich auch kritisch gesehen. Eines Tages könnte das Kartellamt Bedenken anmelden. So wie in der BSE-Krise einige informierte Landwirte Bedenken gegen so mach abstruse Position des BDM hatten, etwa jene, dass die Seuche eine Folge von Tschernobyl gewesen sei.

Derzeit steht aber der Streik im Mittelpunkt, und je knapper die Milch wird, desto gefragter ist Schaber bei den Medien. Bevor er seinen Stall verlässt, um in Berlin Interviews zu geben, füttert er seine Tiere. Dann wird die blaue Arbeitshose mit dem Anzug getauscht, und daheim wissen seine Kinder, dass ihr Vater dafür kämpft, dass der Beruf des Landwirts lohnend bleibt. Wenn sich seine Vision erfüllt, dass Milchbauern mit Discountern und Molkereivertretern auf Augenhöhe verhandeln können. KLAUS WITTMANN

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