Mord an Morsal O.: SPD erhebt neue Vorwürfe

Sozialbehörde mauert bei Anfrage zur Rolle der Jugendhilfe mit Verweis auf Datenschutz. Nun wird der Fall Thema im Jugendausschuss. Die Schulbehörde bestreitet unterdessen Morsals Schulpflicht, obwohl sie in Hamburg gemeldet war

Der Hamburger Senat ist offenbar nicht bereit, über die Rolle der Jugendhilfe im Fall der ermordeten Morsal O. näher Auskunft zu geben. Das Mädchen war am Abend vor ihrem Tod zum Kinder- und Jugendnotdienst (KJND) geflüchtet und dort in Obhut genommen worden (taz berichtete). Die SPD-Abgeordneten Thomas Böwer und Carola Veit hatten in einer Anfrage an den Senat wissen wollen, „auf wessen Veranlassung und auf welcher Rechtsgrundlage“ das Mädchen entlassen wurde.

Die Antwort des Senats fällt sehr knapp aus. „Die Inobhutnahme erfolgte am späten Abend des 14. Mai 2008“, heißt es in dem Dreizeiler. „Anzeichen und Tatsachen einer Gefahr für Leib und Leben, die freiheitsentziehende Maßnahmen gemäß Paragraf 42 Absatz 5 SGB VII gerechtfertigt hätten, waren nicht zu erkennen.“ Im Übrigen sei man im Hinblick aus den Sozialdatenschutz gehindert, die Fragen weiter zu beantworten.

Für Böwer ist die Antwort widersprüchlich. „Wenn der Senat sich auf den Sozialdatenschutz beruft, dürfte er nicht die Inobhutnahme erwähnen.“ Die Einschätzung, es habe keine Gefahr für Morsal bestanden, sei „zynisch“. Die SPD will versuchen, die Fragen auf der ersten Sitzung des Familien- und Jugendausschusses am 10. Juni zu klären.

Nicht zufrieden ist Böwer auch mit der Senatsantwort zur Frage der Schulpflicht des Mädchens während ihres neunmonatigen Afghanistan-Aufenthalts. So schreibt die Behörde: „Nachdem der Wohnsitz des Mädchens nach Afghanistan verlegt wurde, war es gemäß Paragraf 37 Absatz 1 des Hamburgischen Schulgesetzes nicht mehr in Hamburg schulpflichtig. Die Schule hat daher keine Maßnahmen eingeleitet.“ In der selben Antwort räumt der Senat aber ein, dass Morsal während ihres ganzen Afghanistan-Aufenthalts in Hamburg gemeldet war. Erklärung von Behördensprecherin Annegret Witt-Barthel: „Schulpflichtig ist ein Kind dort, wo es seinen Lebensmittelpunkt hat.“ Der Umstand, dass es in Hamburg gemeldet war, sage noch nicht, dass es hier den Lebensmittelpunkt hatte. Unterdessen gibt der SPD-Abgeordnete Andreas Dressel den Behörden Mitschuld an der Eskalation in dem Fall. Die Ermittlungsbehörden hatten bereits im Februar 2007 eine Zeugenvorladung für die 16-Jährige in einem Verfahren gegen deren Mutter an die Adresse der Eltern zugestellt (taz berichtete).

„Den Tätern die Vorladung für das Opfer zuzustellen, war ein fataler Fehler“, sagt Dressel. Es bestehe kein Zweifel, dass die Familie danach radikaler wurde und das Mädchen ins Ausland brachte. Wenn die Täter auch die Erziehungsberechtigten seien, müsse eine Vorladung persönlich übergeben werden, beispielsweise in der Schule. KAIJA KUTTER