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ausgehen und rumstehenTiefblaue Stunden vor dem Morgen

Sommer. Salzwasser, Schweiß, Liebe. Nachts auf dem Balkon sitzen, im Nachthemd, und rauchen. Nachts auf der Gehsteigkante vor der Lieblingsbar sitzen und Bier aus dem Kiosk trinken, weil es billiger ist. Überhaupt: Nachts im T-Shirt herumlaufen. Der Sommer ist die großartigste Jahreszeit, die es gibt, und wer etwas anderes behauptet, sollte nach Island verschickt werden.

Im Sommer kann man auch, so man reich ist und vergnügt, am Sonntagnachmittag nackt auf der Dachterrasse sein und Dinge herumräumen, weil später noch Besuch kommt. Man kann sich, angezogen, mit einem Handtuch aufs Dach setzen, aufs Schrägdach, und keine Panikattacke bekommen, weil mal ein Ziegel nachgibt. Oder man geht einfach am Kanal entlang spazieren, kauft sich ein Eis und setzt sich auf die Admiral-Brücke. Da kommen dann Menschen vorbei, die sich beim Frühstück gedacht haben: Oh fein, schönes Wetter, nehme ich doch mal mein Didgeridoo, latsch zu der Brücke und tröte da ein bisschen herum! Und siehe da, die Bienen bleiben aus, weil sie an der Brücke einen feindlichen Stamm vermuten und lieber woanders herumsummen, dafür finden sich bald ein paar klatschsüchtige Menschen ein und sogar ein Minisaxofonist, der dem Gebrumm ein paar Obertöne beibringt.

Oder man geht als Hund herum und hechelt. Oder man fährt mit dem Fahrrad zum Teufelssee. Oder man erzählt sich von den neuen Liebschaften, die sich in letzter Zeit so ergeben haben, und die natürlich nie ohne irgendwelche Verlierer abgehen. Wo zwei sich finden, weint eine Dritte, nur manchmal finden sich zwei, die schon lange nichts mehr gefunden haben, und freuen sich, und manchmal weint schon eine, wenn sich niemand findet. Oder wenn man blöde angemacht wird nachts um fünf in der Lieblingsbar, die um drei dann doch mal die Stühle draußen hochgeklappt hat. Da freuen sich auch die DJs, die den Laden schließlich bereits seit zehn beschallen. Zwischen drei und fünf zeigen sich alkoholbestärkt die Wahrheiten, man schleppt sich ab oder eben nicht, man sagt sich, was man sich schon immer sagen wollte, es sind die beiden tiefblauen Stunden, bevor die Sonne aufgeht und man am Strand spazieren kann, jedenfalls am gedachten, bevor es heim ins Bettchen geht. Am nächsten Tag tut einem dann alles sehr leid, das eine oder das andere, außerdem hat man mal wieder zu viele Zigaretten geraucht und das letzte der acht Biere hätte vielleicht auch nicht sein müssen. Samstage, Sonntage mit Hangover. Zum Glück gibt’s Fußball in der Kiste.

Oder man trifft sich nach dem Strandspaziergang morgens vor der Bäckerei. Mit unterlaufenen Augen, müder Stimme und irgendeiner Begleitung und erzählt sich kurz und trocken, wo man denn herkommt. Und dass man sich so tagsüber schon viel zu lang nicht mehr gesehen hat. Und fragt sich noch, was denn irgendwelche gemeinsamen Freunde machen, die man mal hatte. Und verspricht sich, sich mal wieder anzurufen, was dann entweder tatsächlich zeitig passiert oder eben nie, bevor man sich wieder zufällig an irgendeinem Morgen in Downtown über den Weg torkelt.

Oder man macht nichts von alledem. Kauft sich einen Haufen Zeitungen, dazu zwei Bücher, im Hintergrund dudelt ein Kofferradio, und man lässt die Welt Welt sein, während man erholsam und beruhigt einen guten Lenz schiebt auf dem Balkon. Vielleicht kommt noch jemand vorbei am Abend und trinkt ein Glas Rotwein mit einem oder eine Flasche Bier. Es ist schließlich Sommer. Das Beste daran ist, dass er meteorologisch erst gerade, kalendarisch aber noch gar nicht angefangen hat. Das werden noch sehr gute drei, besser vier Monate. Der Sommer wird gut. Amen. RENÉ HAMANN

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