Warum rennt der Polizist in die georgische Küche?

Natalie Tenbergs Gastro- und Gesellschaftskritik: Im Genazvale in Charlottenberg kann man georgisches Essen schätzen lernen. Aber …

Was man unter der vietnamesischen oder der russischen Küche versteht, das weiß man. Die italienische und die griechische sind sowieso bekannt, aber dann gibt es da noch einige weiße Flecken. Was beispielsweise kann man sich unter georgischem Essen vorstellen? Zum Glück kann man in Berlin auch das in Erfahrung bringen. Alles, was man dazu tun muss, ist auch mal in ein Lokal zu gehen, dass man sonst unbeachtet lässt, ins Genazvale in Charlottenburg.

Von außen wirkt das Lokal wenig einladend. Es ist dunkel und an den meisten Tagen des Monats auch dann leer, wenn alle anderen Lokale voll sind. An einem Samstagabend sitzt nur eine Gruppe, die man unkundigen Auges als russische Familie einordnen würde, und ein verschlungenes Liebespaar hier. Das Interieur ist lange aus der Mode, dezenter Kitsch und Bilder von abgewählten Politikern zieren die verklinkerten Wände, ein schmiedeeiserner Raumteiler trennt den hinteren Essbereich vom vorderen ab, und verleiht dem Lokal einen Hauch vom Gestrigen. Dieses wenig ambitionierte Erscheinungsbild steht freilich im krassen Gegensatz zur zurückhaltenden Freundlichkeit des Personals, das sich die Frustration über die Leere nicht anmerken lässt.

Man empfiehlt die Wahl eines Menüs, die beste Gelegenheit, die georgische Küche kennenzulernen, und einen georgischen Rotwein. Den trinkt man nicht aus Gläsern, sondern aus kleinen, verzierten Holzschalen. Das Menu wird mit flachem Brot und einer Vorspeisenplatte eröffnet auf dem Spinatbällchen, Käse und mit Walnusscreme gefüllte Auberginenröllchen liegen. Die sehen unscheinbar aus, stellen sich aber als mit das Beste heraus, was man in einem Berliner Restaurant essen kann.

Welche geheimen Gesetze entscheiden darüber, dass ein Restaurant, das so etwas Gutes anbietet, so schlecht besucht ist? Vielleicht das Gesetz, das mehr stimmen muss als nur die Güte einer Vorspeise. Und wenn ein Polizist zwischen Suppe und Schaschlik durch das Lokal in die Küche läuft, weckt das auch nicht gerade Vertrauen, mag der Schweinefleischspieß noch so geschmacklich abgerundet sein. Kaum ist der Polizist weg, betritt ein Duo mit Filmkamera den Laden, woraufhin wiederum das Liebespärchen, es war wohl ein heimliches, das Genazvale verlässt. So wie es ist, kann man im Genazvale zwar die georgische Küche kennenlernen, nicht aber die georgische Lebensweise. Schade, dass ein Lokal mit gutem Essen und freundlichem Personal es trotzdem nicht schafft, zu überzeugen.

RESTAURANT GENAZVALE, Windscheidstraße 14, 10627 Berlin, (0 30) 45 08 60 26, www.genazvale.de , tägl. ab 17 Uhr, S-Bahn Charlottenburg, Menüs für zwei Personen ab 27 Euro