Plastikstühle, DJs und der bockige Igor

Großen Fußball wird es geben. Große Stars. Und große Feste. Aber vergessen wir nicht: Wer dabei alles fehlt!

England, Goleo, Dänemark, Marin, Schottland, Cannavaro, Ukraine, Raul, MV auf dem Plastikstuhl, Irland, Denisov. Was haben all diese Länder, Objekte und Menschen gemeinsam? Genau, sie sind alle nicht dabei bei dieser EM. Obwohl sie sich theoretisch hätten qualifizieren oder nominiert werden können. Oder sogar nominiert wurden. Der St. Petersburger Igor Denisov etwa, aber der war angeblich beleidigt, weil er im erweiterten Aufgebot von Guus Hiddink noch gefehlt hatte – und später nicht bereit war, für Russland zu stürmen.

Über die dusseligen Fußballverbände von der Insel muss an dieser Stelle nicht weiter gesprochen werden – interessant nur, dass sie die Chance nicht nutzen, mit einem kleinen Turnier untereinander ihr Niveau zu steigern. Was auch dem Waliser Ryan Giggs mal die Chance auf ein richtiges Nationalmannschaftsturnier hätte geben können. Unklar auch, was in den nächsten Wochen die legendären Wags (Victoria etc.) treiben und ob es eine Nation gibt, die die Wifes and Girlfriends von der Insel ersetzen kann.

Goleo, das löwenartige WM-Maskottchen von 2006, hat zwar nicht den Sexappeal, aber immerhin den Trashfaktor. Man hätte ihn als ABM zum Partner von Paule machen können, dem vogelköpfigen Maskottchen der DFB-Auswahl. Dann wären sie zu zweit gewesen, wie nach der EM 2004 Gerhard Meyer-Vorfelder und Theo Zwanziger als Doppelspitze des Verbandes. Nachdem MV seinerzeit das Turnier in Portugal wahlweise in einem Luxushotel oder auf einem Plastikstuhl am Geläuf der Spieler verbrachte, legte er sich anschließend mit der Einsetzung der Trainerfindungskommission selbst aufs Kreuz und ward als Machthaber aussortiert. Jetzt ist er noch Uefa-Funktionär, da bleibt wenigstens das Luxushotel erhalten, wenn schon der Plastikstuhl perdu ist.

Nach der letzten, für die Deutschen routiniert erfolglosen EM, wurde bekanntlich Jürgen Klinsmann Bundestrainer. Der Supermotivator fehlt inzwischen auch. Ebenso wie: Bernd Schneider, Marko Marin, Gerald Asamoah. Letzterer war vor zwei Jahren noch für die Musik bei den Deutschen verantwortlich, der Weg zu einem neuen DJ wird aber sicher kein weiter sein.

Bernd Schneider war stets für die kreativen Momente im Spiel da, ist aber fatalerweise bandscheibengeschädigt und wird nur als Besucher ins Quartier nach Ascona reisen. Marko Marin hätte Teile von Schneiders Part übernehmen können, doch jetzt, wo es keinen Klinsmann-Windschatten mehr gibt, hat wohl so etwas wie ein restaurativer Angstrausch den neuen Bundestrainer Joachim Löw bewogen, keine Experimente zu machen.

Markus Merk fehlt auch. Er hat die Altersgrenze für Schiedsrichter überschritten, auch wenn er es selbst nicht einsehen mag. Und nicht zuletzt müssen wir auf Oliver Kahn verzichten, den WM-Bankdrücker. Alles, was derzeit von ihm zu haben ist, ist rührige Trivial-Ratgeber-Literatur. In seinem drei Päckchen Butter schweren Motivationsbuch „Ich. Erfolg kommt von innen“ rät er unter anderem: „Wagen Sie nicht das Unmögliche.“ Schade, dass Kahn noch nicht ZDF-Experte ist, dann könnte er erklären, wie er diese Klugheit aufs deutsche Team anwenden würde. TAK