A Passage to India

„Mein Tod ist nicht dein Tod“ zeigt eine berührende Liebe – und menschliche Tragödie zugleich (23.55 Uhr, ZDF)

Am Anfang ist die Poesie: Da fährt ein rostiges altes Schiff langsam auf einen unendlichen braunen Strand zu, an dem ein unendlich brauner Hund in der Sonne döst. Das Schiff, den mächtigen Bug direkt auf den Strand gerichtet, kommt näher, immer näher. Lange dauert das, auch für den Hund. Irgendwann steht er auf. Der Film fängt an.

„Du hast meine Asche vergraben, wie du dich in meinen Tod vergraben hast. Mein Tod ist nicht dein Tod“, sagt eine junge Frauenstimme. Denn darum wird es gehen in der ersten langen Regiearbeit von Lars Barthel, der sonst eher als Kameramann („Ich Chef, Du Turnschuh“, „Madrid“) bekannt ist: um eine Spurensuche nach seiner 1987 verstorbenen Partnerin Chetna Vora, einer jungen Frau aus Indien, die Barthel in den Siebzigerjahren an der Filmhochschule Potsdam-Babelsberg kennengelernt und deren Asche er nach ihrer Verbrennung entgegen jedem indischen Brauch beerdigt hatte.

Es ist die Geschichte vom kulturellen Gegensatz zwischen dem Vielvölkerstaat Indien und der engen DDR: „Die Leute in der DDR dachten gewöhnlich in kleinen Vierecken. Von mir verstanden sie nichts. Vielleicht waren sie deshalb so freundlich zu mir“, sagt Chetna gleich zu Anfang des Films. Doch aus Aufbruch wird Enge, an der Chetna zugrunde geht. Knapp 20 Jahre nach ihrem Tod hat sich Lars Barthel auf die Suche gemacht. Nach einer Liebe, die er immer noch nicht loslassen kann und deren Tragik bis heute ergreift.

Dass die zugehörige Reihe des Kleinen Fernsehspiels im ZDF „100 % Leben“ heißt, ist dabei alles andere als ein Widerspruch. „Die Filme stellen mit großer Neugier und Offenheit universelle Fragen ans Leben, die den Protagonisten aber nicht im Reportagestil gestellt werden, sondern im Film immer mitschwingen“, sagt Claudia Tronnier, die die Redaktion des Kleinen Fernsehspiels im Januar übernommen hat: „Es ist doch immer spannender, Fragen zu stellen, als Antworten zu geben.“

Und so liefert die Reihe bis zum 23. Juni allmontäglich zu gewohnt (zu) später Sendezeit nichtfiktionale Filme, die der normalen TV-Doku ästhetisch wie thematisch teilweise haushoch überlegen sind. STG

Weitere Termine: „Dancing with Myself“, Mo., 16. 6., 0.35 Uhr; „Grünschnäbel – Träume leben weiter“; Mo., 23. 6., 0.10 Uhr; jeweils im ZDF