kunst, diebstahl etc.
: Dreiste A(u)ktion

Am 30. Mai stand in der Villa Griesebach in Berlin George Grosz’ Gemälde „Kellerassel (Der blinde Bettler)“ zur Auktion. Der Schätzpreis des 1931 fertiggestellten Bildes lag bei 50- bis 70.000 Euro. Tatsächlich erhielt es bei 240.000 Euro den Zuschlag. Was das Auktionshaus zur Provenienz mitteilt, lässt aufhorchen: „Atelier des Künstlers / Alfred Flechtheim, Berlin (vom Künstler am 19. 9. 1931 in Kommission) / Karel von Lier, Amsterdam (1936 von Flechtheim in Kommission, 1938 auf Auktion in Amsterdam erworben) / A.B.E.J. Tergast, Den Haag / Galerie Schlichtenmaier, Grafenau, Schloß Dätzingen (1989) / Rolf Deyhle, Stuttgart. Das angebotene Gemälde war 2007 Gegenstand eines Gerichtsverfahrens. Laut rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 27. 7. 2007 ist das Gemälde im rechtmäßigen Eigentum des Einlieferers.“

Wie kann ein Bild, das offenkundig immer im Besitz von George Grosz war – das besagt der Begriff „in Kommission“ –, heute Rolf Deyhle gehören? 1931 hatte Grosz 61 Gemälde, Aquarelle, Kreide- und Tuschezeichnungen bei seinem Galeristen Alfred Flechtheim in Kommission gegeben. Als sich beide wenig später beide auf der Flucht vor den Nazis befanden, gab Flechtheim das Konvolut bei seinem niederländischen Kollegen Karel van Lier in Kommission. Der nutzte die Gunst der Stunde, als Grosz weit weg in New York und Flechtheim 1937 in seinem Londoner Exil an einer Blutvergiftung gestorben war. Unrechtmäßig versteigerte van Lier das Konvolut 1938 als „Nachlass Alfred Flechtheim“, wie der Kunsthistoriker Ralph Jentsch in seinem gerade im Bonner Weidle Verlag erschienenen Buch „Alfred Flechtheim und George Grosz. Zwei deutsche Schicksale“ nachweist.

Auf diesem Weg also kam das Gemälde zu Deyhle. Er hatte es 2007 schon einmal bei Griesebach zur Auktion eingeliefert. Anders als die Auktionshäuser Sotheby’s und Christie’s, die Ralph Jentsch in seiner Funktion als Nachverlassverwalter von George Grosz jede bei ihnen zur Auktion vorgesehene Arbeit des Künstlers vorlegen, erfuhr Jentsch von der geplanten Auktionierung bei Griesebach erst durch den Katalog. Er intervenierte, worauf das Bild zurückgezogen wurde. Das erwähnte nachfolgende Urteil des Landgerichts Stuttgart wurde wenig später durch einen Vergleich teilweise wieder aufgehoben. Es kam zu Verhandlungen zwischen den Anwälten von Jentsch und Deyhle, in die sich auch Bernhard Schultz von der Villa Griesebach einschaltete, vermeintlich zur gütlichen Einigung, tatsächlich um das Bild erneut anzubieten. Wer immer es nun erworben hat: Von Unwissenheit kann heute so wenig die Rede sein, wie der Kauf des umstrittenen Bildes als gutgläubiger Erwerb gelten kann.

BRIGITTE WERNEBURG