Genauer hinsehen

betr.: „Die Backpacker an der Buddha-Bar“, Schlagloch von Ilija Trojanow, taz vom 7. 6. 08

Trojanows Beschreibung trifft meine eigenen Erfahrungen und Beobachtungen sehr gut und regt bisweilen zum Schmunzeln an, ob des Wiedererkannten und dessen nüchternen Beschreibung. Doch leider war’s das dann auch schon.

Abgesehen von der unentschlossenen Form macht Trojanow inhaltlich zwei Fehler: Zum einen lobt er die Offenheit der „Hippies“, sich von der anderen Kultur verändern zu lassen, und impliziert, dass deren Umgang mit „der Fremde“ per se gut war bzw. wäre. Die heutigen Partybackpacker mit ihrem kolonialistischen Gestus dagegen verachtenswert. Hier muss man etwas genauer hinsehen: Weder ist „die Backpackerkultur“ heute eine reine Monokultur, noch hatte die teilweise naive Angötterung, die „die Hippies“ einheimischen Bräuchen und Kulturen (Spiritualität!) entgegenbrachten, notwendig etwas Progressives.

Zum anderen blendet Trojanow die veränderten (global-)gesellschaftlichen Bedingungen völlig aus. Diese Reiseländer haben sich in den letzten zehn bis 20 Jahren sehr stark verändert und den Backpackertourismus als lukrative Branche entdeckt und gefördert. Die Hippies in den 70ern standen nicht vor einer Phalanx von geschäftstüchtigen „locals“, die es auf nichts als ihr Geld abgesehen hatten. Die Ökonomisierung und Individualisierung des Überlebenskampfes und die Spannung zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden manifestiert sich für jeden Backpacker unmittelbar. Nicht dass es keine anderen Möglichkeiten gäbe, sich damit auseinanderzusetzen, aber mit ihrer Kombination aus Hedonismus und knallhartem Geschäftsgebaren haben sich die Backpacker für jenen Teil der „fremden Kultur“ geöffnet, den sie von zu Hause kennen – so wie die Hippies in der Fremde letztlich auch nach Bestätigung suchten. Im Zeitalter der Globalisierung hat die Fremdheit einiges ihrer Fremdheit eingebüßt, und dass die Leute sich nicht für soziale Ungleichheit interessieren, kann man ihnen auch zu Hause vorwerfen. Wo genau liegt also das Problem des von Trojanow beschriebenen Phänomens? Wie ließe sich das ändern? Eine ernsthafte, kritische Auseinandersetzung mit dem Backpackertourismus in armen Ländern wäre an der Zeit. CHRISTOPH HAUG, Berlin

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