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Was am Fahrrad nervt

Die Technik hat in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. Umso erstaunlicher, wie schlecht viele Komponenten funktionieren. Händler empfehlen, ein paar Euro mehr auszugeben

Leuchtdioden halten zigtausendmal länger und sind 300 Prozent heller

VON GERNOT KNÖDLER

Ein Licht, das trübe funzelt, Nabenschaltungen ohne Kettenspanner und Handgriffe, die sich auflösen – beim Fahrrad für den Alltagsgebrauch liegt Einiges im Argen. Für fast alle Probleme gibt es heute Lösungen. Wer sie nutzen möchte, darf nicht an der falschen Stelle sparen.

Nabenschaltungen sind im Kommen. Fünf oder sieben Gänge gibt es heute schon bei Aldi. Das revolutionäre wie kostspielige 14-Gang-Getriebe der Firma Rohloff ist sogar tourentauglich. Wegen ihres gekapselten Getriebes gelten Nabenschaltungen als wartungsarm und ideal für Radfahrer, die sich nicht kümmern müssen wollen.

Trotzdem sind sie im Alltag nicht ohne Tücken: Nach einigen hundert Kilometern wird die Kette schlaff und springt vom Ritzel. Bei einer Kettenschaltung kein Problem: Die Kette lässt sich von Hand wieder auflegen.

Springt die Kette vom Nabenritzel, muss der Radler den Haltebügel der Rücktrittbremse lösen und die Kette spannen, indem er das Hinterrad zurecht ruckelt: Linke Achsmutter lösen, Hinterrad verkanten, festziehen; rechte Achsmutter lösen, andersrum verkanten, festziehen – und so fort. Der Radler braucht Werkzeug. Und Waschpaste für die Hände, wenn er sich wieder unter Menschen begeben will.

Frühere Generationen hatten es da einfacher. Im Gegensatz zu heute war die Nut zur Aufnahme der Hinterradachse nach hinten offen. Dort saß eine kleine Schraube, mit der sich die Kette spannen ließ.

„Wenn Du ein richtiges Rad hast, hast Du einen Kettenspanner“, sagt Norbert Gräber vom gleichnamigen Fahrradladen in Barmbek. Mit einem Exzenter lasse sich die Kurbelachse im Tretlager verschieben und so die Kette spannen. Gräber räumt ein, dass das aufwändig und teuer ist. Dann fällt ihm ein, dass es auch Spannvorrichtungen für die Hinterachse gibt, die zu den heutigen Standard-Rahmen passen. „Die haben wir im Laden“, sagt er. Die Fahrradhersteller verzichteten darauf, sie einzubauen, weil sie damit ein paar Cent sparten.

Rainer König, Vertriebschef der Hamburger Fahrradmarke Stevens, stellt sich den Käufer einer Nabenschaltung ohnehin als Wenig-Fahrer vor, der mit solchen Problemen erst gar nicht konfrontiert werde. Solche Radler seien sorgenfrei, wenn sie ihr Rad alle zwei Jahre warteten.

Bei der Beleuchtung hat sich vieles verbessert. Wer ein Rad mit Nabendynamo kauft und einer Doppelverkabelung, tut grundsätzlich das Richtige. „Vorher hatten wir zu 90 Prozent Massefehler am Fahrrad“, sagt Gräber. Der Stromkreis vom Dynamo zur Lampe und zurück führte bei vielen Rädern über die Schutzbleche und den Rahmen. Die vielen Verschraubungen auf dem Weg waren anfällig für Korrosion und Verschmutzung, was den Widerstand steigen und das Licht schlapp machen ließ. Bei einem zweiten Kabel fällt dieses Problem weg. Und Nabendynamos können bei Regen und Schnee nicht durchrutschen.

Als Problem bleibt, dass das Fahrradlicht mit geringer Spannung betrieben wird: sechs Volt statt zwölf wie beim Auto. „Die Lichtleistung reicht für das schnelle Fahren nicht aus“, sagt König. Dem, der – etwa im Gelände – darauf angewiesen ist, empfiehlt er Batterieleuchten der Marke Lupine mit Fern- und Abblendlicht, die allerdings 400 bis 500 Euro kosten.

Gräber empfiehlt, von Halogenbirnchen auf Leuchtdioden umzusteigen. „Je älter die Halogenbirne, desto höher ist ihr Widerstand“, sagt der Fahrradhändler. Irgendwann reiche der Strom nicht mehr für das Rücklicht. Er empfiehlt Leuchtdioden, weil sie zigtausendmal länger brennen als Halogenbirnchen und dabei 300 Prozent heller sind. Die Firma Busch und Müller bietet eine solche Diodenlampe für rund 70 Euro an. „Das ist der meist verkaufte Scheinwerfer bei uns geworden“, sagt Gräber. „Wenn Du das einmal gesehen hast, dann flippst Du aus.“

Ein Ärgernis, wie König und Gräber einräumen, sind auch die Mini-Klingeln, die sich serienmäßig an vielen Rädern finden. „Es ist einfach eine Zumutung, so ein Ping-Ding anzubauen“, findet Gräber. Das sei wie beim Sattel, bei dem standardmäßig ein Billig-Teil geliefert werde, weil sich die Kunden nachher ohnehin einen kauften, der zu ihrer Anatomie passe. König sieht das philosophisch: „Ein bisschen muss der Fachhandel ja auch noch machen können.“

Von Handgriffen aus zwei verschiedenen Materialien, die kleben und sich abrubbeln wie Radiergummi, hat König noch nicht gehört. Gräber vermutet, dass es sich um billige Kopien ergonomischer Markenprodukte handelt. Die Originale von Ergon würden festgeschraubt, kosteten aber bis zu 50 Euro.

Für Bügelschlösser, die kaum so am Rahmen befestigt werden können, dass sie nicht stören, empfiehlt Gräber einen Gepäckträger von Tubus mit spezieller Halterung. Dabei werde das Schloss zwischen Träger und Hinterrad verstaut. Auch diese Lösung ist kostspielig und lohnt sich für Leute, die viel fahren.

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