Eine Männer-Liaison?

Abenteuer und Reisen? Ja bitte! Aber bei hohem Komfort, Exotik und voller Absicherung

VON BARBARA SCHAEFER

Ich traf ihn auf der hochgelegenen Hütte unterhalb des Cotopaxi, er trank grinsend ein Glas „Gato Negro“. So wichtig wie Berggipfel sind ihm die Rotweine aus dem bereisten Land. Er hieß Andreas, Arzt, Motorradfahrer, vermögend, attraktiv – der Fünfzigjährige stand schon auf dem Kilimandscharo. Gerade plant er eine Argentinien-Reise mit Trekking in Patagonien, danach eine Tour in die Mandschurei. Andreas ist kein Asket, sondern ein barocker Genussmensch. Sein hedonistisches Lebensmotto: Man gönnt sich ja sonst alles. Und zu diesem Setting gehört bei Männern unbedingt ein Hauch von Abenteuer. Der Sprecher des Münchner Trekking-Veranstalters DAV-Summit-Club bemerkt „einen wahren Run auf exotische Reisen“. Anders als noch vor einigen Jahren gelte dabei die Tendenz: „Von 0 auf 100 – alles und gleich! Nicht erst zum Wandern nach Italien, sondern gleich Trekking in Tibet.“ Wer unterm Sternenzelt übernachten möchte, sucht diese Erfahrung nicht zwangsweise in Bhutan, sondern auch im Bayerischen Wald. Insgesamt, so Thoma, gehe der Trend jedoch „zu exotischen Zielen im höherpreisigen Segment“. Denn Abenteuer wird durch Exotik noch aufregender.

Eine interne Marketing-Untersuchung von Ralph Lauren Fragrances ergab, dass für Männer von 25 bis 49 die Suche nach Abwechslung und Abenteuer einen hohen Stellenwert einnimmt, vor allem bei den bis 34-jährigen. Sie sähen Grenzen als etwas Negatives, als etwas, das überwunden werden müsse. Die Befragten sollten Assoziationen zu „Leben ohne Grenzen“ benennen. Heraus kamen Bilder von „offenen Räumen, weiter Horizont, Natur, Berge, Meer; ein Mann, der auf einem Kamel durch die Wüste reitet; jemand, der einen Berg erklimmt und seine Freiheit genießt“.

Abenteuer beflügelt schon immer die Produktwerbung: Der professionelle Abenteurer zieht in die Welt und tut Mutiges; wieder zuhause, erzählt er davon, um für sich Werbung zu machen und so die nächste Tour zu finanzieren; und schließlich werben Produkte mit den Taten des Mutigen, um potenziellen Käufern zu suggerieren: Auch du ein Abenteurer! Oder um es mit dem Modemacher Ralph Lauren zu sagen: „Ein Duft für den modernen Abenteurer, der nach grenzenloser Freiheit riecht.“ Können schon Autos praktisch jede Art von Image dem neidischen Nachbarn vermitteln, gelingt das Zigaretten noch besser. Das Flair verbrennender Tabakblätter kann wahlweise Pariser Lebensart, Cowboystil oder Partylife vermitteln. Dasselbe Potenzial haben Düfte.

Vor hundert Jahren stattete der Koffermacher Vuitton Expeditionen aus und wirbt bis heute damit genauso wie der Männerausstatter Dunhill mit Feuerzeugen, die einst für Polfahrten geordert wurden. Sie soll der Griff nach dem Blackberry-Handy, das in einem Ledercase steckt (aus der Iguana-Serie von Dunhill), als wäre es ein Feldstecher, an die Zeit erinnern, als wir noch Jäger und Sammler waren. Wer sich „auf eine Reise in die Welt des geheimnisvollen Orients“ begeben möchte, kann sich in die Bettwäsche Lingam von Bassetti hüllen, wenn auch bei der Produktbezeichnung der Hauspoet keine glückliche Hand bewies (Wikipedia: Lingam – Die Wissenschaft assoziiert den Shiva-Lingam gewöhnlich mit der männlichen Schöpferkraft des Shiva und interpretiert ihn als Phallussymbol).

Frauen mailen Sonnenuntergänge, so Fotodesignerin Mameghani-Löffelhardt, Männer hingegen das Lieblingsstadion oder „den Löwen von der letzten Daktari-Reise“. Morgens sollen wir unter Duschköpfen stehen so groß wie Eimer mit Regenwasser im Dschungelcamp, die Lampen an der Garderobe sehen aus, als hätten wir sie von der „Gorch Fock“ abgeschraubt, und den Frühstücksküchentresen erhellen Lichtobjekte von Ayala Serfaty, aus Seidenhüllen geschwungen in der Form von Quallen oder anderem, was uns beim letzten Tauchgang begegnete. Und für den Schreibtisch sind Hölzer aus aller Herren Länder gerade gut genug.

Moderne Extremsportler wie die Kletterer Bubendorfer oder Glowacz vollbringen Tollkühnes und berichten in Managerseminaren von ihren Erfolgen. Unbezwingbare Felswände werden schließlich zum Synonym von Erfolg und werben auf Anzeigenseiten für Banken und Versicherungen, die damit Höchstleistung suggerieren.

Was sich dann wiederum auf das Reiseverhalten auswirkt. Eingefleischte Bürositzer suchen im Urlaub den Kick. Aber, weiß Thoma vom DAV-Summit-Club, mit „Komfort und Exklusivität. Die abgesicherte Herausforderung.“ „Das Abenteuer in den Wüsten, aber auch auf dem Ku’damm“, so umschrieb auf der ITB Dag Rogge das Fahrgefühl im Landrover. Rogge ist Chef von Landrover Experience Tour (LET), einem Reiseveranstalter für Allrad-Touren – und Auslober der „LET Malaysia“, des Nachfolgers der Camel Trophy. Rund zehntausend Bewerbungen würden auch dieses Jahr erwartet, so Rogge, frühere Touren gingen nach Schottland und Argentinien. 2.200 Bewerber erreichen die Ausscheidung, in Qualifikationswochenenden werden sechs Gewinner ermittelt. Diese durchqueren im Oktober Malaysia von West nach Ost über die Cameron Highlands. Nur ein Fünftel der Bewerber sind Frauen, sagt Pressesprecher Paul Entwistle. An den Ausscheidungswochenenden geht es um Navigation, Reifenwechseln, schwieriges Geländefahren und Teamarbeit. „Wir wollen keine Alphatiere“, so Entwistle. Teamfähigkeit sei zwar eine Floskel, „aber das ist das Wichtigste bei abenteuerlichen Unternehmungen“.

Und so werden auch diesmal, trotz der geringeren Bewerberzahl, Frauen auf der Reise dabei sein. Denn, so Entwistle: „Es geht nicht um Muskelkraft, sondern um mentale Fähigkeiten, da sind Frauen besser.“ Und sie sind längst von Abenteuerlust infiziert. Das Trendbarometer „Women’s Wear Daily“ verkündete unlängst, US-Kunden würden „abenteuerlicher in ihren Vorlieben“: weg vom floralen Duft, hin zu Moschus, Holz und orientalisch Angehauchtem, es gebe sogar eine Gender-Verschiebung: Frauen-Parfums werden holziger, erdiger. Der Herrenduft Polo Explorer lädt Männer zu einer „olfaktorischen Entdeckungsreise quer über die Kontinente ein“. Der Flakon erinnert an eine Feldflasche. Dies übertrifft nur noch die Dunhill-Dichtkunst: „Dunhill Pursuit“ will den „Abenteuergeist des modernen englischen Gentlemans“ feiern, ein Duft, „der auf Frauen eine geradezu unwiderstehliche Wirkung ausübt. Frauen fühlen sich hingezogen zu Männern mit Energie und Leidenschaft.“ Denn sie träumten davon, vom Traummann entführt zu werden in ein Land der Fantasie.

Wenn das mal nicht danebengeht. Die Hamburger Trendbeobachterin Anne von Blomberg verkündet, der Traum vom Ironman sei bei weiblichen Führungskräften angekommen. Um nicht missverstanden zu werden: Managerinnen schwärmen nicht vom Dunhill-Mann, sondern davon, selbst in Hawaii Triathlon zu laufen. Wohl nicht mit einem Parfum mit blumiger Kopfnote.