Der Roland ist gerettet

Auch in Brasilien steht seit 50 Jahren ein Roland, inmitten einer von Bremern gegründeten ehemaligen Kolonie. Anlässlich seiner Restaurierung werden jetzt wieder Verbindungen geknüpft

Von JAN ZIER

Er mutet an wie ein „Außerirdischer“, der Roland – sagt einer, der ihn gesehen hat. Allein wegen der Palmen, die ihn „umkränzen“, wie Bürgermeister Jens Böhrnsen es gestern ausdrückte. Oder weil dort zu Bauzeiten des Originals, im 14. Jahrhundert, noch der südbrasilianische Urwald wucherte. Seit 1957 steht, am Ende einer Hauptstraße von Rolândia, gut 500 Kilometer von São Paulo entfernt, eine Kopie des Bremer Rolands. Einen Meter kleiner als das Original, aber ansonsten bis hin zum Oberkirchener Sandstein identisch. Doch für das Tropenklima ist der nicht geschaffen, und so musste er schon nach 50 Jahren restauriert werden. Finanziert hat das die Aktion „Wir retten den Roland von Rolândia“, gefeiert wurde es gestern in der Oberen Rathaushalle, mit Blick aufs Original.

Der Bürgermeister hatte geladen – und alle waren sie gekommen: vor allem zwei Nachfahren jener Bremer, die nach 1932 dem Dschungel eine deutsche Kolonie namens Rolândia abzuringen begannen. Caio Koch-Weser etwa, der frühere Vizepräsident der Weltbank, der spätere Finanzstaatssekretär der rot-grünen Bundesregierung, ist einer dieser Nachkommen. Sein Großvater Erich, 1875 in Bremerhaven geboren, Ehrenbürger von Delmenhorst, war zu Zeiten der Weimarer Republik einmal Innen- und auch Justizminister, dazu der letzte Vorsitzende der 1930 aufgelösten liberalen Deutschen Demokratischen Partei.

Eigentlich hieß er Koch – die Weser kam nur zur besseren Unterscheidbarkeit von einem anderen, namensgleichen Reichstagsabgeordneten in den Namen – und war, was die Nazis einen „Halbjuden“ nannten. Als er in Deutschland nicht mehr länger Anwalt sein durfte, emigrierte er mit seiner Familie nach Brasilien, kaufte 100 Hektar Land und errichtete darauf eine Kaffeeplantage. Auch Enkel Caio ist dort geboren – heute erzählt er von einem „großartigen Leben in Einfachheit“, von der „Heiligenverehrung“ des Rolands, von einem „armen Entwicklungsland“ mit feudaler, aber auch faschistischer Prägung.

Der 1944 verstorbene Koch-Weser war einer der ersten, die in die einzig erfolgreiche Kolonie kamen, die zwischen den beiden Weltkriegen von Deutschen besiedelt wurden. Mit ihm kamen zwei andere Bremer – der Tropenlandwirt Oswald Nixdorf und der Regierungsrat Hermann von Freeden, der schon in den Zwanziger Jahren mehrmals in Südamerika war, im Auftrag der ebenfalls bremischen Gesellschaft für wirtschaftliche Studien in Übersee. Die warb seinerzeit um Auswanderer – am Ende kamen vor allem Flüchtlinge des Hitler-Regimes. Sie waren es auch, die später den Plan des Dritten Reiches vereitelten, aus Rolândia eine Art deutsche Mustersiedlung zu machen. Gleichwohl waren 1938 knapp 85 Prozent der rund 1.700 EinwohnerInnen deutschstämmig, nach Kriegsende kamen allerlei flüchtige Nazis dazu. Gerüchten zufolge fand sogar der nie gefasste KZ-Arzt Josef Mengele eine Zeit lang hier Unterschlupf. Heute sind nur noch zwei Prozent Rolândias deutscher Abstammung, insgesamt knapp 1.000 Menschen, und nur ein Drittel unter ihnen spricht noch Deutsch.

Gleichwohl sei man im heute von wenigen Großgrundbesitzern beherrschten Bundesstaat Paraná – bis in die Siebziger Jahre hinein eine Hochburg des weltweiten Kaffeeanbaus – immer noch „sehr stolz“ auf die gemeinsame Geschichte, versichert der deutsche Honorarkonsul in Rolândia, Adrian von Treuenfels. Nun gelte es, die Beziehungen „wieder auszubauen“. Die Jacobs University hat bereits zarte Bande geknüpft.