berliner szenen Umzugsreport

Mitten in Mitte

Zurzeit ist mal wieder Stadtteil-Mikado angesagt: Ich bin innerhalb Berlins umgezogen. Von wo nach wo …? Jetzt bloß nichts sagen auf Partys, sich nicht rühren. Sonst schlägt der (mit)leidige Snobismus zugezogener, junger Berliner zu. Die wohnen meist im Bermuda-Dreieck: Friedrichshain, Prenzlauer Berg, Kreuzberg. Da kommen sie dann nicht mehr raus für Kino/Party/einen trinken gehen und strafen all jene mit Verachtung, die außerhalb der Heiligen Dreifaltigkeit ihre Zelte aufgeschlagen haben.

In Weißensee zum Beispiel. „Da muss ich doch ein Ticket für Zone C kaufen, oder?“, fragen einen Freund wie Feind naiv bzw. scheinheilig. Oder ob das schon Brandenburg sei? Und wie denn das passiert sei, dass das Finanzamt Pankow für einen zuständig ist? Der See um die Ecke, stinknormale Nachbarn und endlich mal ordentlich lange in die Pedale treten, um radelnd zur Arbeit zu kommen: zählt nicht.

Jetzt lebe ich woanders, näher an meinen Freunden im Bermuda-Dreieck. Zufällig ist es Mitte geworden. „Oh Gott!“, theatralische Blicke unterm Fransenpony, „nur schicke Galerien, arrogante Mitte-Schnitten, total gehypt!“ Erster Tag im Treppenhaus: Eine mittelalte Nachbarin mit Mülltüte in der Hand grüßt freundlich. Rosa T-Shirt mit schwarzen Punkten, beige Hose mit Streifen, schlurpender Gang. Der Blick von der eigenen Dachterrasse: gegenüber die bevölkerte Sonnenterrasse eines Altenheims, pinkfarbene Kleinbürger-Geranien ein Stockwerk tiefer. Auf dem Dach eines Autos im Hof unten steht mit Klebefolie „ficken“. Ein alter Herr im Rollstuhl, unter einem roten Sonnenschirm, winkt heftig von der Altenheim-Terrasse. Ich lege mich in den Liegestuhl und spiele Stadtteil-Mikado. Sonne genießen und nicht bewegen. MIRIAM JANKE