Bremen soll leiser werden

Bringt Brüssel Bremen zum Lärmvermeiden? Auf Grund einer neuen EU-Richtlinie plant die Stadt nächtliche Tempolimits, mehr „Flüsterasphalt“ und Schallschutzfenster. Deren Finanzierung allerdings ist ungewiss

Lärm ist die subjektiv stärkste Umweltbelastung, Ärmere sind besonders betroffen

Bremen will für 10.000 Euro Verkehrsschilder aufstellen, um neue, insbesonders nachts gültige Tempolimits einzuführen. Das ist die am leichtesten finanzierbare und insofern auch konkreteste Maßnahme des neuen Lärmaktionsplans, den die Bau- und Verkehrsdeputation gestern als Entwurf zur Kenntnis nahm.

Andere angedachte Maßnahmen wie ein Schallschutzfenster-Pogramm sind wegen ihrer Kosten von etwa 30 Millionen Euro noch reine Zukunftsmusik. Entsprechende Etatpositionen sind nach Angaben des Bauressortsprechers nicht vor 2010 vorgesehen.

Hintergrund der Bemühungen ist die neue Umgebungslärmrichtlinie der EU. Um sie zu erfüllen, wird die Obergrenze für die durchschnittliche nächtliche Geräuschbelastung auf zunächst 60 Dezibel, tagsüber auf 70 Dezibel festgelegt. Eigentlich sollte Bremen ein entsprechendes Umsetzungskonzept bis Mitte Juli vorlegen, jetzt hat Brüssel via Berlin die Frist um vier Monate nach hinten verschoben – Zeit, die die Bremer Verwaltung offenbar dringend braucht. Obwohl das grüne Licht der Verkehrsdeputierten zur Einhaltung wenigstens der November-Frist unerlässlich war, wurde die Vorlage zur deren gestriger Sitzung nur äußerst knapp fertig. Mangels Alternativen akzeptierten die Deputierten dennoch, dass der Aktionsplan nun in die gesetzlich vorgeschriebene Bürger- und Beiratsbeteiligung geht.

Nach der Sommerpause kann also diskutiert werden: Tempo 30 nachts auf Teilen von Bismarck- und Kattenturmer Heerstraße, rund um die Uhr Tempo 50 im innerstädtischen Teil des Breitenwegs, „Flüsterasphalt“ statt Kopfsteinpflaster auf insgesamt vier Straßen, deren Sanierung in den nächsten Jahren ohnehin ansteht. Letztere Maßnahme ist allerdings mit zehn Millionen Euro beziffert (knapp die Hälfte ist für Lärmschutz vorgesehen), weswegen der Aktionsplan ausdrücklich auf die Nennung eines konkreten Zeithorizonts verzichtet.

Insgesamt krankt der Aktionsplan daran, dass er ausschließlich auf berechneten statt gemessenen Lärmdaten basiert. Die Folge: Für die Anlieger an Bahndämmen beispielsweise gibt es noch keine Lärmminderungsplanung, weil die Deutsche Bahn ihre Daten trotz wiederholter Aufforderungen seitens des Senators noch nicht vorgelegt hat. Auch Fluglärm spielt im „Aktionsplan“ des Verkehrssenators kaum eine Rolle – zuständig sei das Wirtschaftsressort.

Allerdings kann Bremen auch auf einige Aktiva in Sachen Lärmvermeidung verweisen: Um das LKW-Führungsnetz, dass laute Brummis möglichst von Innenstadt und Wohnbebauung fernhält, wird Bremen nach Angaben der Verwaltung von vielen anderen Städten „beneidet“. Auch der Anteil von bereits bestehenden Tempo-30-Zonen gelte mit 70 Prozent an allen Verkehrsverbindungen als besonders hoch. Was im Umkehrschluss freilich bedeutet, dass mit dieser Maßnahme – immerhin der konkretesten des aktuellen Plan-Entwurfs – nicht mehr allzu viel rauszuholen ist.

Lärm sei die subjektiv am stärksten wahrgenommene Umweltbelastung, betont Verkehrssenator Reinhard Loske (Grüne) – dieser Befund wird sogar durch den gerade vom Bremer Polizeipräsidenten veröffentlichten Bericht zum Sicherheitsempfinden der Bevölkerung bestätigt. Auffällig ist laut Loske ferner, dass der Bremer „Lärmteppich“ in weiten Teilen deckungsgleich mit dem städtischen Sozialraster ist: Ärmere Stadtteile sind deutlich betroffener. Henning Bleyl