120 minuten im puff
: Sturm auf dem Rasen, Flaute in der Kasse

Normalerweise laufen auf dem Bildschirm Billigpornos; aber heute laufen Arshavin & Co.

Berlin, Prenzlauer Berg, Samstagabend, Viertelfinale: Die Bürgersteige vor den Straßencafés und die unzähligen Bars sind gefüllt mit Fußballbegeisterten jeglicher Konfession. Alle Bars? Nein. Im „Butterfly“ in der Danziger Straße, dem „exclusiven Showclub im Prenzlauer Berg“, steht die Luft. Eine Mischung aus Raumspray und Billigparfüm umnebelt die Sinne, tritt man in den dunklen Innenraum.

Klischee, wohin man blickt: an den Wänden schlecht gerahmte Fotos nackter Frauen, in den Fenstern kleine, rote Lichterketten und in einem Separee vier junge Männer, die Junggesellen-Abschieds-Shirts tragen. Daneben als einziger Gast ein blonder Mittdreißiger, der seine 50-Euro-Scheine tatsächlich zusammengeknüllt aus der Gesäßtasche fummelt. Auf den Barhockern: drei Damen in kurzen Röcken und hohen Absätzen. Ganz genau so, wie man sich das vorstellt. Mit einer Ausnahme: Auf dem kleinen Fernseher, wo normalerweise die Sexfilmchen flimmern, läuft – Fußball.

Ivana ist Ende dreißig und kommt aus Moskau. Fußball ist ihr „eigentlich egal“; nur heute nicht. „Wenn wir gewinnen, bin ich morgen in Moskau“, sagt sie aufgeregt und tippt wie wild SMS in ihr Handy: „Zur Verwandtschaft, in Russland!“ Es läuft gut für Ivana, bis zur 86. Minute – Ausgleich durch van Nistelrooy. Verlängerung. Entsetzt rückt sie sich eine Ledercouch aus den Separees so zurecht, dass sie von dort bequem auf den Bildschirm schauen kann. Der Mittdreißiger glänzt durch Insiderwissen und erklärt ihr, „dass es das mit diesem Golden Goal nicht mehr gibt. Die spielen auf jeden Fall noch ’ne halbe Stunde weiter.“ Schlecht für ihn, schließlich muss er gleich los nach Tegel, „nach Fuerte fliegen“. Die Stimme lallt schon etwas, aber er kann noch mitteilen, dass sein Vater Holländer ist. Die brünette Bardame legt tröstend ihr nacktes Bein um seine Hüfte, aber da geht heute wohl nichts mehr.

In der 103. Spielminute verlassen auch die Junggesellen die Bar, gucken, wo mehr los ist. Ivana wünscht „viel Glück für die Ehe“, und es klingt ehrlich.

Schlusspfiff, Russland ist im Halbfinale! Die Mädels stoßen mit einer Runde Wodka an, sind sich einig, dass Arshavin der heißeste Mann auf dem Platz war, und hoffen, dass heute Abend noch etwas passiert. Die Nacht hat gerade erst begonnen im „Butterfly“. DÖRTE SCHÜTZ