Aber ich liebe euch doch alle!

Oldenburgs Oberbürgermeister Gerd Schwandner predigt Toleranz gegenüber Schwulen und Lesben, erfreut sich aber auch an evangelikalen Gläubigen, die Homosexualität für eine „Sünde“ halten

VON FELIX ZIMMERMANN

Oldenburgs Oberbürgermeister Gerd Schwandner hat es sich in den letzten Tagen mit Menschen verscherzt, auf die er seit einiger Zeit ganz scharf ist: die Homosexuellen in seiner Stadt.

Die findet er toll, weil ihre Existenz für die recht verschlafene Stadt „einen überdurchschnittlich hohen Input an Kreativität“ bedeute, der „Schlüsselgröße für Wirtschaftswachstum im 21. Jahrhundert“. Ein wichtiger Standortfaktor seien die Homosexuellen, es sei „nicht nur eine Frage der Toleranz“, gleichgeschlechtliche Beziehungen zu akzeptieren, „sondern auch des gesunden Menschenverstandes“. So schrieb Schwandner im Grußwort zum Christopher Street Day am vergangenen Samstag in Oldenburg. Die dortige CSD-Parade ist eine der größten im Nordwesten, Schwule und Lesben demonstrieren dort für Gleichberechtigung; Schwandner wurde zeitweise auf dem Wagen der AIDS-Hilfe gesichtet. Bei der Abschlusskundgebung auf dem Schlossplatz verkündete er, eine Stadt werde erst lebenswert durch Abwechselung und Vielfalt.

Was Schwandner schrieb und sagte, scheinen Lippenbekenntnisse zu sein. So sehen das Homosexuellen-Gruppen in Oldenburg, und sie haben allen Grund dazu: Seit gestern findet auf dem Schlossplatz die Veranstaltung einer homosexuellenfeindlichen Gruppierung statt – für die Schwandner die Schirmherrschaft übernommen hat.

Es handelt sich um die missionarischen „ER ist da“-Zelttage der Freien evangelischen Gemeinde in Oldenburg, die ihre Ablehnung der Homosexualität aufs Neue Testament stützt. Dort werde „der gleichgeschlechtliche Umgang von Männern und Frauen eindeutig als Sünde gewertet“, weshalb Homosexuelle in der Gemeinde nicht mitarbeiten könnten. Es sei denn, sie unterziehen sich einer Therapie.

Das autonome Schwulenreferat der Oldenburger Carl-von-Ossietzky-Universität hat Schwandner in einem offenen Brief aufgefordert, von der Schirmherrschaft der „ER ist da“-Zelttage zurück zu treten. Es sei „nicht ausreichend, in Grußworten gleichgeschlechtliche Beziehungen zu akzeptieren und auf den vermeintlichen ökonomischen Standortvorteil hinzuweisen“. Vielmehr bedürfe es eines klaren Engagements, „damit konservative evangelikale Christen nicht weiter ihre Hasspredigten und tiraden der Ausgrenzung und Diskriminierung verbreiten könnten“. Der Verein „Na und – Lesben und Schwule in Oldenburg“ schloss sich der Forderung an und ermahnte Schwandner, sich als gewählter Oberbürgermeister „solchen intoleranten Gruppen entgegen zu stellen und die demokratischen Grundwerte zu verteidigen“.

Schwandner ließ ausrichten, die Freie evangelische Gemeinde haben ihm versichert, sich von Ausgrenzung und Diskriminierung zu distanzieren. Auf der CSD-Parade noch hatte er bekannt, er können nicht jede Anfrage auf Schirmherrschaft überprüfen. Dazu fiel dem Schwulenreferat ein Satz von Franz-Josef Strauß ein: „Everybody’s darling is everybody’s Arschloch.“