Eskalation wegen Kopftuch

Staatenloser Moslem aus Gaza soll seine Freundin verletzt haben, weil sie kein Kopftuch tragen wollte. Die nun begonnene Verhandlung in Bremen fördert etliche Widersprüche zutage

VON TIEMO RINK

Ihre Stimme klingt brüchig. Stockend und mit leisen Worten berichtet Hafidha M. dem Übersetzer, was vor knapp einem Jahr gegen 22 Uhr abends passiert sein soll. Tränen laufen über ihre Wangen. Mit lauter Stimme übersetzt der Dolmetscher am Bremer Amtsgericht dann vom Arabischen ins Deutsche: Angeklagt ist Hafidha M.s 29-jähriger Ex-Freund. Er soll ihr die Hände mit einem Kabel gefesselt, in den Oberarm gebissen, die Kopfhaare abrasiert und gedroht haben, sie umzubringen. Angeblich, weil sie sich weigerte, weiterhin ein Kopftuch zu tragen.

Mehrere Straftaten werden Fatih A. an diesem Tag von der Staatsanwältin vorgeworfen. Kurz nach der erzwungenen Rasur soll der Staatenlose aus dem Gaza-Streifen am Arbeitsplatz von Hafidha M. aufgetaucht sein und erneut gedroht haben, sie umzubringen. Schließlich „habe er nichts zu verlieren“, der Mord koste ihn „nur einen Kanister Benzin und ein Streichholz“, so die Anklage. Zusätzlich zu mehreren belästigenden Anrufen soll der Angeklagte seine Mordabsichten auch gegenüber einem Cousin seiner Ex-Freundin bekräftigt haben.

Fatih A. wirkt selbstsicher während des Prozesses. Auch er wird durch den Dolmetscher unterstützt. Während die Anklage verlesen wird, legt der junge Mann die Stirn in Falten, verschränkt die Hände hinter dem Kopf, schlägt die Beine übereinander. Hals, Schläfen und Hinterkopf sind akkurat rasiert, lediglich die Schädelplatte ziert eine Kurzhaarfrisur. Mehrfach wird er von der Richterin ermahnt, seiner Ex-Freundin bei ihrer Aussage nicht ständig ins Wort zu fallen. Auf der Anklagebank sitzt er nach seinem Empfinden zu Unrecht. Aus seiner Sicht wollte Hafidha M. ihm bewusst schaden.

Um ihn mit einer möglichen Abschiebung unter Druck zu setzen, habe sie den Reisepass des Staatenlosen gestohlen und für ein halbes Jahr behalten. Nur um den Pass zurück zu bekommen, habe er sich telefonisch bei seiner Ex-Freundin gemeldet. So lange, bis sein mittlerweile eingeschalteter Anwalt ihm dringend von einer weiteren Kontaktaufnahme abgeraten habe. Die Misshandlungen und die Freiheitsberaubung bestreitet Fatih A.; zudem sei er seiner Ex-Freundin körperlich unterlegen. „Um sie zu fesseln, bräuchte ich vier starke Männer.“ Außerdem sei er dagegen gewesen, dass Hafidha M. ein Kopftuch getragen habe. Religiöse Motive hätten für ihn nie eine große Rolle gespielt. „Ich bin zwar Moslem, aber ich kenne meine Religion gar nicht richtig“, so der Angeklagte.

Aussagen, wie sie gegensätzlicher kaum sein könnten. Ein im Prozess verlesenes ärztliches Gutachten zumindest attestiert ein Hämatom am Oberarm von Hafidha M. Allerdings erfolgte die Diagnose erst Tage nach der mutmaßlichen Tatnacht. Ein Urteil wird vorerst nicht gesprochen werden, stattdessen werden am 11. Juli weitere Zeugen vernommen. Mit Spannung wird vor allem die Aussage des Nachbarn erwartet, bei dem sich Fatih A. an besagtem Abend die Haarschneidemaschine geliehen haben soll. Das zumindest behauptet Hafidha M.. Ihr damaliger Freund behauptet das Gegenteil. Einen Rasierapparat müsse er sich nicht leihen, schließlich besitze er selber einen.